Essen kann jeder
vertragen hast, darfst du essen.« Das schützt Menschen davor, sich ihren Früchtesnack am nächs ten Tollkirschestrauch zu holen. Hat aber den nervigen Nebenef fekt, dass der erfolgreiche Erstkontakt mit dem Nahrungsmittel erst einmal hergestellt werden muss. Und der endet eben oft in Tränen. Das scheint auch das Tolle an der Bärchenwurst zu sein. Sie wird offensichtlich so geschmacksarm hergestellt, dass Kinder ihre natürlichen, noch unverfälschten Instinkte verleugnen und doch zur billigen Industriestreichwurst greifen.
Für diesen Umstand kann man letztlich auch gar keine Lösung anbieten.
Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Es gibt das System der »spezifisch-sensorischen Sättigung«. Das heißt: Wenn ich immer nur Bananen esse, bekomme ich vielleicht viel Magnesium und Kohlenhydrate, aber kein Eisen oder Vitamin B. Man sollte also nicht zu schnell die Nerven verlieren. Ihr Kind wird bald Bananen nicht mehr sehen können. Da sagen Sie, Banane ist vielleicht o. k., aber was ist, wenn der kleine Scheißer nur Pommes isst? Das ist nicht einfach. Aber vielleicht hilft auch nur eine Radikalkur. Wenn Ihr Kind nur Pommes ist, dann geben Sie ihm doch Pommes, und zwar morgens, mittags und abends jeden Tag in der Woche. Und wenn bei Anblick einer Fast-Food-Filiale Ihrem Kleinen Tränen in den Augen steigen, dann wissen Sie: Jetzt ist er reif für meinen Blumenkohlauflauf.
Außerdem kenne ich ein paar Tricks, die ich mir von cleveren Müttern aus meinem Bekanntenkreis abgeschaut habe. Sagen Sie niemals: Dies oder jenes Nahrungsmittel ist gesund. Das löst beim Kind reflexartig Ekel aus. Gesund ist lappriges Gemüse, saures Obst und schaler Früchtetee. Nein, Sie sagen: »Oh, die Pellkartoffeln sehen aber lustig aus! Wie die Nase von Captain Hook.« Oder »Hast du gewusst, dass Braunbären am liebsten Radieschen essen?« Warum soll der Trick nur bei Bärchenwurst funktionieren!
Bieten Sie Ihrem Kind möglichst viel an. Aber es gilt: »Mag ich nicht« gibt es nicht. Es wird probiert. Auch wenn es Geschrei gibt. Stopfen Sie sich Ohropax in die Ohren. Mit seinem »Das mag ich nicht!« möchte er doch nur im Mittelpunkt stehen. Schließlich gibt es keinen größeren Effekt, als plötzlich zu sagen: »Das schmeckt mir nicht!« Denn dann wird leidenschaftlicher argumentiert als bei einer Bundestagsdebatte: »Du hast doch immer Tomaten gegessen. Aber in Spaghetti bolognese schmecken sie dir doch auch. Da ist die Mama aber traurig …« Genau das will der despotische Gnom! Den Effekt Ihrer Erregung. Aber wenn er Ihre Aufmerksamkeit will, dann soll er sie bekommen. Wenn er sagt: »Ess ich nicht!«, rufen Sie erfreut aus: »Das schmeckt dir nicht? Super, dann bekomme ich mehr!« Und fres sen ihm sofort gierig den Teller leer. Vielleicht kann man so was auch präventiv anwenden? Sobald der Teller gefüllt ist, fangen Sie an, die Paprika aus dem Gulasch zu picken. Wenn Ihr Sohn dann protestiert, mimen Sie den Unschuldigen: »Ach so, ich dachte, das schmeckt dir nicht!« Appellieren Sie an den Futterneid Ihres Kindes! Sein Teller wird nach jedem Essen glänzen wie ein unberührter Bergsee.
Kochen Sie außerdem auch nur, was Ihnen selbst schmeckt. Wenn Sie Grünkohl noch nie ausstehen konnten, warum Ihre Ma genschleimhäute damit schikanieren, nur weil Sie ein Kind haben? Sie müssen schließlich Vorbild sein und mit Freude und Genuss voressen. Man kann nicht im Restaurant sagen: »Oh, Gemüse, wie toll. Du weißt ja gar nicht, was du verpasst.« Und anschließend dem eigenen Kind die Chicken Nuggets vom Teller klauen. Wenn es Ihnen nicht schmeckt, warum sollte es Ihrem Kind schmecken? Sie teilen sich schließlich 50 % Ihrer Gene. Also hoffentlich. Und wenn Ihr Kind von Tomaten denselben eigentümlichen Hautausschlag bekommt wie der Tennislehrer Ihrer Frau, fällt die Ernährung dieses Balges sowieso nicht in Ihren Zuständigkeitsbereich.
Den ganz gesundheitsbewussten Eltern sei gesagt: Überwinden Sie auch mal ideologische Barrieren. Was nützt das segensreichste Lebensmittel, wenn Sie nicht einen Bissen in den Rachen Ihres putzigen Hausdrachens hineinbekommen? Dann gibt es halt mal Ketchup, wenn Ihr Kind Erbsen nur mit einem kleinen Klecks zuckrigem Tomatenschleim runterbekommt. Soll es doch. Besser als gar kein Gemüse. Für das Wohl Ihres Kindes muss man manchmal auch mit dem erklärten Ernährungsfeind kollaborieren.
Seien Sie generell vorsichtig mit Verweigerungen. Verknappung steigert die Lust. Die süßesten
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