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Essen kann jeder

Essen kann jeder

Titel: Essen kann jeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Weber
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wahrscheinlich einfach nur zu faul zum Kochen. Und freitags fallen dann die Katholiken wie die Hunnen über die Meeresfrüchtetheke her. Denn am Freitag wird ja gefastet – katholisch gefastet, versteht sich, also mit offener Hintertür! Damit das Fasten keine Zumutung wird. Das heißt: Fleisch ist verboten, Fisch aber erlaubt.
    Bei uns daheim führte das früher zu sehr komischen Szenen beim Restaurantbesuch am Karfreitag. »Opa, nimmst du das Rinderfilet?« »Was, das Rinderfilet? Am Tag, an dem der Herr für unsere Sünden gestorben ist? Weiche, Satan! Ich nehme den Hummer!«
    Das Meer ist leer
    Doch unser Heißhunger hat verheerende Konsequenzen: Laut Angaben der Europäischen Kommission sind 63 Prozent der Bestände im Atlantik überfischt, im Mittelmeer sollen es sogar 82 Prozent sein. Das bedeutet, es werden mehr Fische gefangen, als durch natürliche Vermehrung nachwachsen oder zuwandern. Weltweit soll bereits ein Viertel der Fischbestände vollkommen zusammengebrochen sein. Glaubt man den Prognosen von Greenpeace, wird es ab 2050 in den Weltmeeren überhaupt nichts mehr zu fischen geben und noch einsamer sein als auf einer Pressekonferenz mit Guido Westerwelle.
    Wenn Sie jetzt sagen, dann esse ich einfach Fisch aus Aqua kulturen, ist das leider für die Umwelt nicht viel besser. Im Gegenteil: Falsche Fischzucht macht alles nur noch schlimmer. Dort werden Chemikalien und Antibiotika so massiv eingesetzt, dass eine vietnamesische Durchschnittsgarnele ohne Weiteres als Penicillinzäpfchen zu gebrauchen wäre. Außerdem leben die Tiere in extrem beengten Verhältnissen. Das ist nicht nur sehr stressig für sie, es entstehen auch, sagen wir mal, angespannte hygienische Verhältnisse. Sie brauchen sich daher nicht zu wundern, wenn der Zucht-Buntbarsch auf Ihrem Teller irgendwie eigenartig schmeckt. Er wurde schließlich zeit seines Lebens im eigenen Kot mariniert. Die Abwässer aus den Becken werden ins Meer oder in Flüsse geleitet und machen dort sowohl Fisch als auch Fischern den Garaus. Nicht nur in Asien, auch in Chile vernichtet die Zuchtlachsindustrie durch ihren irrsinnigen Einsatz von Pestiziden, Desinfektionsmitteln und Antibiotika ganze Küstenregionen. Zurück bleiben endlose verseuchte Traumstrände mit Tierkadavern. Außerdem ist jede Zuchtstation eine Brutstätte für Seuchen. Dem ISA-Virus fallen jährlich Hunderte Tonnen Lachs zum Opfer. Die stinkenden Lachskadaver werden gesammelt und zu Lachsfutter verarbeitet. Ob sich das der liebe Gott als natürlichen Kreislauf vorgestellt hat? Dass man Tiere zum Kannibalismus zwingt, indem man sie ihre kranken Geschwister essen lässt? Außerdem ziehen die Wildlachse auf ihren Wanderwegen an ihren internierten Artgenossen vorbei und fangen sich ebenfalls das Virus ein. Noch bevor sie laichen, werden sie zu Leichen.
    Daraus lernen wir: Für die Wildbestände der Meere bedeutet die Aquakultur kaum eine Entlastung, auch wenn dieses Argument gerne von der Fischzuchtlobby angeführt wird. Denn der Großteil der gezüchteten Tiere sind Raubfische, das heißt, sie fressen andere Fische. Für ein Kilo Zuchtfisch müssen bis zu fünf Kilo Wildfisch gefüttert werden. Und wo kommen die her? Eben! 90 Prozent des chilenischen Wildfangs – darunter beste Speisefische wie fette Sardinen, üppige Butte und saftige Schollen – werden vor den Augen der armen Bevölkerung zu Fischmehl verarbeitet und an Zuchtlachse verfüttert. Selbst die kleins ten Tiere, die bisher durch die Maschen der Fischindustrie schlüpfen konnten, landen im Netz und enden als Futter für die großen Brüder im Zuchtbecken. Zurück bleibt in den Welt meeren praktisch nur noch destilliertes Wasser.
    Vielleicht denken Sie, was kümmert mich der Fisch? Unsere Kinder brauchen doch keinen Fisch. Wenn der Fisch weg ist, sollen sie halt Schnitzel essen! Wer so spricht, holt sich schnell ein blaues Auge. Nicht allein wegen der Gefahren, die entstehen, wenn das Meer als größtes Ökosystem dieses Planeten den Bach runtergeht. Nein, die Folge kann viel unmittelbarer sein.
    Haben Sie gewusst, dass die Piraten vor den afrikanischen Küsten früher Fischer waren? Am Anfang haben diese Men schen nicht Öltanker, sondern ausländische Fischtrawler besetzt, die in ihren Gewässern wilderten. Man muss das verstehen. Diese Menschen sind auf das Meer angewiesen. Viele Afrikaner decken ihren gesamten Proteinbedarf ausschließlich mit Fisch. Ein Traum für jeden Katholiken – bei denen ist immer Freitag. Und wer

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