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Essen mit Freunden - Roman

Essen mit Freunden - Roman

Titel: Essen mit Freunden - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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Oberschenkelhalsbruch, Krankenhaus, Lungenentzündung, Friedhof.«
    Â»Ich habe eigentlich noch nicht gehört, dass jemand vom Tangotanzen einen Oberschenkelhalsbruch bekommen hat«, merkte Anne vorsichtig an.
    Â»Weil man normalerweise auch nicht mit siebzig damit anfängt. Mit siebzig macht man Sitzgymnastik.«
    Â»Luise, es ist kein Bungee-Jumping oder Freeclimbing. Es ist nicht lebensgefährlich. Es ist einfach nur Tango, sonst nichts!«, widersprach Anne.
    Â»Aber wieso: sonst nichts? Wäre doch schön für die beiden, wenn da auch noch ein bisschen mehr liefe, oder?«, fragte Thorben unschuldig in die Runde, während er den Hühnerknochen auf seinem Teller gründlich inspizierte, ob nicht doch noch ein bisschen Fleisch zu finden war. Als er den Blick hob und in die schweigende Runde schaute, fixierten ihn drei Augenpaare. »Ich meine ja nur …«, begann er zu stottern. »Habt ihr nicht diesen Film gesehen? Den mit dem alten Liebespaar? Die dann irgendwie noch so richtig …« Er sah unsicher von einer zur anderen. »Also wenn ich mir überlege, wie das wird, wenn ich mal alt bin … dass das aufhören könnte mit dem … also dass ich … na ja ihr wisst schon …« Er zuckte hilflos mit den Schultern und schwieg.
    Als die Stille schließlich so dicht wurde, dass der Flügelschlag einer Motte zu hören war, die gegen die Lampe über der Arbeitsplatte flatterte, hob Sybille mit einem kurzen Räuspern ihr Glas und rief in die Runde: »Apropos Film mit älteren Leuten: Ich habe da neulich eine supergute Reportage über alternde Hollywood-Diven gesehen. Ist euch mal aufgefallen, dass tatsächlich keine ihren Hals so vorteilhaft
in Rollkragenpullovern verbergen kann wie Diane Keaton? Ich habe mir überlegt, ob ich auf Dauer nicht eine Menge Geld spare, wenn ich mir weniger Anti-Aging-Creme kaufe und dafür ein bisschen mehr in Schals und Rollkragen investiere.«
    Â»Rollkragen? Das hast du doch gar nicht nötig«, sagte Thorben mit hörbarer Dankbarkeit für diesen rettenden Anker, den Sybille in die Runde warf.
    Â»Oh, Diane Keaton, die bräuchte für meinen Geschmack weder Faltencreme noch Rollkragenpullover«, stimmte Anne ein.
    Luise musste lächeln. Das mochte sie an ihrem Freundeskreis. Jeder respektierte die wunden Punkte der anderen. Alle in der Runde hielten sich an das ungeschriebene Gesetz, dass niemand in Sybilles Gegenwart über Spätgebärende scherzte oder Thorben gegenüber eine Internet-Partnerbörse als die größte Traumfabrik nach Hollywood bezeichnete. Und so durfte auch Luise sich sicher fühlen, dass ihre Minenfelder nicht ungefragt betreten wurden: die Sorge um ihre Mutter, der Tod ihres Vaters, Frau Berg, die Chefin im Schreibbüro, in dem sie schon viel zu lange arbeitete. Nur bei Anne schien alles überschaubar zu sein. Es gab Natascha und ihren Job. Für etwas anderes blieb Anne schlichtweg keine Zeit.
    Â»Nachtisch gibt's heute nicht«, sagte Luise und räumte die Teller zusammen. »Dazu bin ich vorhin nicht mehr gekommen wegen der«, sie verdrehte die Augen, »Cantuccini.«
    Â»Och«, sagte Thorben und strich ihr kurz über den Arm, was Luise als verkappte Entschuldigung akzeptierte, »mir reicht eigentlich ein Espresso mit Keks.«
    Â 
    Â»Wollt ihr vielleicht noch was mitnehmen? Sozusagen als Wegzehrung?«, fragte Luise, als am Ende des Abends ihre Gäste in Mantel und Jacke startklar im Flur standen.
    Â»Also ich bin mehr als satt«, stellte Sybille fest.
    Doch schon zauberte Luise hinter ihrem Rücken drei Cellophantüten mit Cantuccini hervor.
    Â»Lecker, ja, gern«, sagte Thorben, nahm sich eine der Tüten und ließ sie in seiner Tasche verschwinden.
    Â»Na ja, wenn ich sie nicht alle auf einmal esse«, sagte Sybille und schnappte sich die zweite.
    Â»Danke«, sagte Anne zögernd und nahm ihr die dritte aus der Hand. Dann umarmte sie Luise und flüsterte ihr leise ins Ohr: »Auch wenn ich befürchte, dass das wohl erst der Anfang ist. Denn wo drei Tüten sind, gibt es sicher noch mehr.«
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    Â»Ich hoffe, die Nummer geht diesmal nicht wieder verloren. Rufen Sie so schnell wie möglich dort an.«
    Luise nickte wortlos, schaute auf ihr Blatt, machte sich eine kurze Notiz und starrte dann wieder auf den Mund hinter dem Schreibtisch. Irgendwann in den letzten

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