Essen mit Freunden - Roman
strahlen.
»Auf das Wunder des Lebens?«, wiederholte Anne und nippte an ihrem Glas. »Geht das vielleicht ein bisschen konkreter?«
»Ja«, sagte Sybille, stellte ihr Wasser ab und begann, in ihrer Handtasche zu wühlen.
Luise und Anne blickten irritiert vom einen zum anderen.
In der Zwischenzeit hatte Sybille gefunden, wonach sie gesucht hatte. Sie legte ein Bild auf den Küchentisch, genau in die Mitte zwischen Luise und Anne, zwischen Wasser und Prosecco. Einem Computerausdruck, verschwommen, Linien und Wellen, schwarzweiÃ. Für einen Moment herrschte Schweigen.
»Nein, sag nicht, dass das â¦Â«, begann Luise.
»Aber doch, das ist ⦠nein, ich glaube es nicht!«, unterbrach sie Anne.
»Und das da?«, rief Luise und deutete aufgeregt auf einen kleinen schwarzen Punkt, der in den grauen Wellenlinien schwamm. »Sag schon! Ist es das?«
»Ja, das ist es«, nickte Sybille, und langsam stiegen Tränen in ihre Augen.
»Ich werde Tante, hurra, ich werde Tante!«, schrie Anne und sprang vom Stuhl auf, um Sybille zu umarmen. »Und du wirst Mama!« Dann flatterte sie zu Luise. »Tante, Tante, du auch!« Und als sie an Thorben vorbeitänzelte, intonierte sie zur Melodie von Bruder Jacob: »Onkel Thorben, Onkel Thorben, das ist toll, das ist toll.«
»Papa«, sagte Thorben seelenruhig und goss sich etwas Prosecco nach. »Ich werde Papa.«
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»Wir haben ein bisschen Zeit gebraucht, bis uns klar war, was wir wollen«, sagte Sybille, nachdem das erste groÃe Tohuwabohu abgeklungen war. »Zumindest eine grobe Richtung. Ihr wisst doch: Ich hätte nie im Leben an eine Neuauflage mit Thorben gedacht, und Thorben wollte nie im Leben Kinder. Und auch wenn er mittlerweile das Gegenteil behauptet, bin ich fest davon überzeugt: Wäre er nüchtern gewesen, wäre das sicher nicht passiert. SchlieÃlich bin ich nicht blond und dazu noch doppelt so alt wie seine übliche Zielgruppe.« Sie zwinkerte ihm zu. »Aber dann war da sein Geburtstag vor fünf Wochen. Und David Bowie. Und der Campari.«
»Hätten wir noch bleiben sollen?«, platzte Luise heraus.
»Auf keinen Fall!«, widersprach Thorben. »Wenn du den Hünen nicht mitgenommen hättest, hätte Sybille ihn wahrscheinlich doch noch ergattert, und wir säÃen jetzt nicht hier. Jedenfalls nicht mit dem da.« Liebevoll strich er über das Ultraschallbild.
»Und jetzt?«, fragte Anne. »Habt ihr die groÃe Liebe füreinander entdeckt? Schmetterlinge im Bauch und all das?«
»Nein. Vielleicht. Ach, was weià ich«, sagte Sybille und klang leicht verzweifelt. »Ich kann dir wirklich nicht sagen, was daraus wird und ob ich Schmetterlinge im Bauch habe oder ob es nur die morgendliche Ãbelkeit ist. Bekommt man noch Schmetterlinge bei jemandem, mit dem man irgendwie sein halbes Leben geteilt hat? Wir wissen noch nicht, wie wir das jetzt nennen. Ob wir ein Paar sind oder nicht. Gute Freunde, das sind wir auf jeden Fall. Und das ist doch keine schlechte Basis, oder?«
»Und abgesehen davon ist es im Bett immer noch gut«, warf Thorben grinsend ein und prostete erneut in die Runde.
»O nein!«, stöhnte Anne. »Bitte erspart uns wenigstens diesmal die Details.«
»Warum? Wir kennen uns doch alle. Und um ehrlich zu sein: es ist sogar noch viel besser als früher â und definitiv besser als mit einer Zweiundzwanzigjährigen.«
»Nehmt ihm den Prosecco weg«, sagte Sybille und verdrehte die Augen, doch dann begann sie zu lachen. »Im Grunde hat er aber recht. Ich war in den letzten Jahren selten so entspannt mit jemandem, gerade weil wir uns so lange kennen. Von daher kann es ja vielleicht auch mit dem Kind klappen. Ich war so lange so verbissen. Habe so viel geplant, und nichts hat geklappt. Und dann lande ich eine Nacht mit diesem Kerl da«, sie deutete über den Tisch, »im Bett.«
»Auf deinem Küchenboden«, korrigierte Thorben und nahm die Hände hoch, um den Korken abzufangen, den Sybille in seine Richtung schleuderte. »Was ist? Wenn ich das nächste Mal nicht dabei bin, erzählst du es ihnen doch sowieso«, lachte er.
»Na gut: Ich lande also mit diesem Kerl, der sich absolut
nicht benehmen kann, unerwartet auf meinem Küchenboden, und plötzlich passiert genau das, was ich mir so sehr gewünscht habe. Dann sagt dieser unmögliche Kerl auch
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