Essen statt stressen
ab.
Während ihres Aufenthalts in unserer Klinik sollen die Patienten jedoch eine langfristige Umstellung ihres Ess- und Bewegungsverhaltens erlernen und dies dann langfristig zuhause fortsetzen. Die absolute Gewichtsabnahme in drei oder vier Wochen des Aufenthalts ist daher weniger bedeutsam als die langfristigen Erfolge einer Ernährungs- und Verhaltensänderung. Ausschließlich eine zeitlich begrenzte »Diät« durchzuführen kann vielleicht kurzfristig zu einer stärkeren Gewichtsabnahme führen, lang fristig jedoch sind die Ergebnisse schlecht, das Gewicht steigt erneut, häufig über das bisherige Ausgangsgewicht, so dass dann die nächste »Diät« ansteht. Unser Ziel dagegen ist eine langfristig erfolgreiche Ernährungs- und Verhaltensumstellung.
Welche Langzeiterfahrungen haben Sie damit?
OBERSTADT: Kurz- und mittelfristig gelingt eine Ernährungsumstellung, bei entsprechender Motivation, häufig und damit Gewichtsabnahme. Oft ist es schwierig, jahrzehntelange Ernährungs- und Verhaltensmuster durch eine kurzzeitige Intervention, wie eine stationäre Rehabilitationsbehandlung von einigen Wochen Dauer, langfristig völlig zu verändern. Wichtig ist es daher, mit den Patienten realistische langfristige Ziele zu erarbeiten und sich auf diesem Weg immer wieder kleinere »Etappenziele« zu setzen.
Die Forderung nach einer langfristigen vollständigen Umstellung des gesamten Ess- und Bewegungsverhaltens mit dem Ziel einer dauerhaften Gewichtsnormalisierung kann zwar durch manchen Patienten umgesetzt werden, in vielen Fällen jedoch ist
bei Extremforderungen ein scheinbares Scheitern und Versagen vorprogrammiert, obgleich bei realistischer Betrachtungsweise bereits erhebliche Erfolge, wenn auch in kleinen Schritten gemacht wurden. Der normale Verlauf einer Übergewichtserkrankung ist eine stetige Gewichtszunahme mit vielen Folge- und Begleitkrankheiten. Diese Entwicklung zu stoppen und den Weg zu einer Verbesserung zu finden ist langfristig ein großer Erfolg.
Phänomen Esssucht: Der emotionale Esser
Ein Student fährt nachts 15 Kilometer bis zur nächsten Tankstelle, um sich eine 300-Gramm-Tafel Schokolade zu kaufen. Wenn die aufgegessen ist, würde er am liebsten gleich wieder losfahren, um noch eine zu besorgen.
Eine junge Frau aß abends vor dem Fernseher grundsätzlich mehrere Tüten Kartoffelchips. Schon oft hatte sie sich vorgenommen, keine zu kaufen. Abends wurde sie dann wieder schwach und lief noch ins nächste Geschäft, um sich mit den Chips zu versorgen.
Eine Mutter aß regelmäßig die Reste vom Teller ihrer Kinder auf, obwohl sie längst durch eine eigene Portion hätte satt sein müssen. Sie erklärte dieses Verhalten mit einem »Zwang«, der sie regelrecht erfasste.
Nach Berichten von Esssuchtbetroffenen auf dem Internetportal www.ess-sucht.com
Immer noch bestreiten Ernährungsmediziner und Psychoexperten, dass Übergewicht auch eine Suchtkomponente haben kann oder sogar als Sucht eingestuft werden sollte. Doch eine der namhaftesten
deutschen Suchtforscherinnen, Prof. Sabine Grüsser, stellte schon vor über zehn Jahren die entscheidenden Parallelen zwischen Nikotin, Alkohol, Heroin und Kalorien klar: »Es ist im Prinzip völlig egal, welcher Stoff das Verlangen auslöst, das so stark ist, dass wir diesem Drang alles unterordnen«, erzählte mir die Suchtexpertin Grüsser in einem Fachgespräch. »Wenn jemand aus einem inneren Zwang heraus ohne Hunger isst, und eine Abhängigkeit von diesen Essattacken entsteht, erfüllt das alle Kriterien eines Suchtverhaltens. Entsprechend qualifiziert muss dieses Suchtproblem auch behandelt werden.« Es gibt sie also wirklich, die »Esssucht«. Sie wird nun, über zehn Jahre nach dem ersten Verdacht der leider schon mit 43 Jahren verstorbenen Suchtforscherin Grüsser von Psychologen, Medizinern und Psychiatern bereits als eigenständige Diagnose geführt. Typisch für die Esssucht ist, in Ärztedeutsch, »eine vermehrte Aufnahme von Nahrung einhergehend mit dem Gefühl des Kontrollverlustes über das Essverhalten«. Beim gestörten Essverhalten wird unterschieden zwischen
spontanen Essanfällen (Fachbegriff: Binge Eating),
kontinuierlichem Überessen (Fachbegriffe: Grazing, Nibling),
nächtlichen Essattacken.
Ich möchte Übergewichtige, die häufiger einem Schokoriegel, einem Schmalzbrot oder einer Salamipizza erliegen, nicht beleidigen – weder Esssucht noch Drogensucht sind zu diskriminieren – das liegt mir wirklich fern! Aber es ist wichtig
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