Essenz: Band 1 [Das Blut der Götter] (German Edition)
ist eben, wie es ist.“
Er wandte den Blick ab. Sie stand auf.
„Du findest das kaltherzig.“, stellte sie fest und
verschränkte die Arme vor ihrer Brust.
„Ist es das nicht?“ Daniel stand ebenfalls auf. Er
warf ihr einen Blick zu, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ.
Sie hatte ihn verletzt?
Wie zur Hölle hatte sie das geschafft?
Daniel lief eine ganze Weile zu Fuß über die
verlassene Landstraße, bevor er merkte, dass er nicht nach Hause teleportiert war.
Nun denn. Frische Luft würde ihm gut tun.
Oder auch nicht. Der trostlose Ausblick auf groteske
Baumskelette, die wie eine Armee Toter den Straßenrand säumten, passte
vorzüglich.
Niemals hätte er geglaubt, dass der Mord an diesem
Mädchen ihn derart belasten würde. Und dass Nika diese Tat so leichtfertig
überging.
Vierzehn
Nika hasste ihr Zuhause, wenn es zu einem Käfig wurde.
Amulett hin oder her, Julian hatte sie noch nicht offiziell in die Freiheit
entlassen. Und wohin sollte sie überhaupt gehen?
Nika wusste, dass Teresa in Mayfair um das Wohlergehen
einiger kostbarer Pflanzen kämpfte, deshalb zögerte sie eine Weile, bevor sie
schließlich doch anrief.
„Ich weiß, du hast zu tun, Tess. Aber mir fällt die
Decke auf den Kopf und es ist so kalt in diesem Teil der Welt und ich bin
einsam. Können wir den Nachmittag nicht bei dir in Thailand verbringen? Bitte.“
„Nein“, erwiderte die Elfe. „Zu unübersichtlich. Hast
du eine Wetter-App?“
„Klar habe ich eine. Soll ich uns was Nettes suchen?“
Teresa kicherte.
„Hab schon was. Check das Klima an der
ostafrikanischen Küste und mach dich fertig, Freitag.“
„Aye aye, Robinson.“
Der Wettervorhersage entsprechend hatte Nika ihre uralte
Armani-Sonnenbrille im Stubenfliegen-Style aufgesetzt, dazu den riesigen
Schlapphut, den Julian ihr irgendwann einmal in einem Souvenirshop in Mexiko
gekauft hatte, damit sie keinen Sonnenstich bekam, wenn sie auf den Beweisen
früherer Hochkultur herumkraxelte. Sie trug einen schwarzen Bikini und
Flipflops.
Teresa hatte ihr Strandoutfit ebenfalls schon an, die
langen, silberblonden Haare waren wie üblich zu einem zausseligen Dutt
zusammengebunden.
„Ist dir klar, dass jeder normale Mensch auf diesem
Planeten mich für deine ältere Schwester halten würde?“, fragte Nika und fand
sich ziemlich klarsichtig. Teresa lächelte matt.
„Verkehrte Welt, oder?“
Sie beamte Nika zum brütend heißen Sandstrand einer
Insel, die mitten im Indischen Ozean lag. Hinter ihnen erstreckten sich Palmen,
vor ihnen schwappte das Meer. Nika hatte freie Sicht auf eine weit entfernte
Inselkette, die zwischen ihnen und der Küste Tansanias lag.
Tess blickte prüfend zum Himmel.
„Die Sonne ist zu stark für dich. Creme dich ein.“ Sie
breitete die mitgebrachten Handtücher aus und setzte sich auf eines.
„Mache ich gleich. Gib mir eine Minute.“ Nika streckte
sich der Länge nach auf dem anderen aus und beobachtete den Picknickkorb, der wie
von allein in den Schatten der Palmen segelte. „Ich nehme an, diese Insel
gehört dir.“
„Ja.“ Teresa sah sich zufrieden um. „Sie ist kaum
größer als der Vorgarten der Queen, aber ihre Flora ist ungewöhnlich. Creme
dich endlich ein, Schatz.“
Als Nika die Augen wieder öffnete, sah sie als erstes
das Marineblau ihres Badelakens. Dahinter das stumpfe Muschelweiß von
Milliarden von Sandkörnern. Am Horizont ging soeben die Sonne unter.
„Ananas“, erklärte die klare Elfenstimme neben ihr.
Nika schob den Hut von ihrem Kopf und setzte sich auf.
Das Dach aus Palmenblättern, das dezent über ihr schwebte, hatte sie wohl der
Tatsache zu verdanken, dass sie das Eincremen am Ende doch vergessen hatte.
Teresa saß immer noch neben ihr und ließ soeben eine ameisenartige Kolonne aus
einem Berg blassrosa Schneckenhäuschen aufsteigen, bevor sie das Gebilde in
einem Blumenmuster auf den Sand fallen ließ.
„Diese PEZ-Dinger gibt es doch gar nicht in der
Geschmacksrichtung Ananas. Da bin ich ziemlich sicher, Tess.“
„Habe ich selbst kreiert.“
„Ach so.“ Nika seufzte. „Was gibt es denn in deinem
Picknickkorb?“ Sie sah sich um und stellte fest, dass er wie aus heiterem
Himmel neben ihrem Laken aufgetaucht war.
„Was hättest du gern?“
„Wie wäre es mit Eis?“
„Leg ich rein.“
„Danke.“ Nika nahm den Korb. Die Temperatur der Eiscreme
darin verriet sofort, dass sie den Nachmittag nicht in afrikanischer
Backofenatmosphäre verbracht
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