Essenz: Band 1 [Das Blut der Götter] (German Edition)
hatte, sondern eben erst aus irgendeinem
Kühlschrank herangebeamt war.
„Welche Sorte möchtest du, Tess? Schoko-Kirsch oder
Erdbeer mit Sahne?“
„Egal.“
Nika reichte ihr das Schoko-Kirsch-Eis.
„Wieso tut ihr es überhaupt?“
„Was?“
„Essen und trinken.“
„Auch wir brauchen Mineralstoffe. Gelegentlich.“
Nika brütete eine Weile vor sich hin.
„Du bist jetzt 106 Jahre alt“, bemerkte sie dann.
„91Jahre als Engelsblüterin und dazu die fünfzehn Jahre vorher. Wieso hast du
dir nie einen Gefährten erschaffen? Weil jemand, den du mit deiner schon
verdünnten Essenz infizierst, nur ein Mischblüter wäre? Viel schwächer als eine
Reinblüterin wie du, und dazu noch abhängig von diesem Enzym.“
„Quatsch.“ Teresa zuckte ungerührt die Schultern und
schob einen ziemlich vollen Löffel in den Mund. „Es ist kein Problem, Proteine
aus dem menschlichen Blut zu extrahieren um die fehlerhaften biochemischen
Prozesse besser zu katalysieren.“
„Warum nutzt du diese Möglichkeit dann nicht?“ Nika nahm
ebenfalls einen Löffel.
„85 % der Jungs, die mich anbaggern, sind
Schulkinder“, erklärte Teresa. „Ich müsste das Einverständnis ihrer
Erziehungsberechtigten einholen.“ Aber das tat dem Elfenappetit keinen Abbruch.
Teresa schaufelte genüsslich ihr Schoko-Kirsch. Nika fummelte eine Erdbeere aus
ihrem Eis und betrachtete sie von allen Seiten, bevor sie sie in den Mund
steckte.
„Wirklich gut, das Eis. Ich hoffe, du hast es
bezahlt.“
Teresa lächelte nur. Nika seufzte.
„Warum ist das immer so kompliziert mit den Männern?“
„Ist es das?“
„Ich habe Daniel geküsst.“
Teresa riss die Augen auf.
„Das erwähnst du nebenbei?“
„Na ja. Der Kuss war…, aber dann bekamen wir Streit.
Und jetzt herrscht Sendepause.“
„Streit? Worüber?“
„Ist doch egal. Wir passen eben einfach nicht
zusammen.“
„Doch, natürlich!“ Teresa kicherte fröhlich, während
sie die Reste in ihrem Becher zusammenkratzte. „Nicht mal Julian hat ihn so
auf…“ Sie biss sich auf die Lippen und verstummte.
In Nikas Magen meldete sich ein unangenehmes kleines
Gefühl. Nicht nur, weil Teresa den Satz abgebrochen hatte. Sondern weil die
superlässige, abgebrühte, teenagerhafte Engelsblüterin rot wurde.
„Julian hat… was?“ Ganz unerwartet bekam das Eis eine
klebrige Konsistenz in ihrem Mund. „Was?“
Teresa schabte weiter an ihrem inzwischen leeren Becher.
Sie war dabei zu emsig. Und zu leise.
„Frag deinen Dad.“ Ihr Lächeln sah kläglich aus.
Das Eis wurde immer pappiger in Nikas Mund. Sie ließ
den Löffel sinken und stellte den Eisbecher zwischen zwei Schneckenhaus-Blüten
im warmen Sand ab.
„Das würde ich! Ich würde Julian fragen, jetzt sofort,
aber du hast mich gezwungen, mein Telefon zu Hause zu lassen.“ Als ob
irgendjemand auf diesem Planeten auf die Idee kommen könnte, nachzuprüfen, ob
das eine oder andere Smartphone scheinbar unkontrolliert durch die
Weltgeschichte hüpfte und dabei GPS-Spuren hinterließ. „Tess!“
Teresa bedachte Nika mit einem Blick, der irgendwo
zwischen vorsichtig und nachsichtig lag. Trotz der flauen Unruhe in ihrem Magen
nahm Nika noch einen Löffel Eis. Sie schluckte es herunter, obwohl es mehr und
mehr nach Kleister mit Erdbeergeschmack schmeckte.
Nicht einmal Julian hatte ihn so auf… was?
Die plötzliche Erkenntnis traf Nika wie ein Tritt in die
Eingeweide. Der Erdbeerkleister blubberte drohend die Speiseröhre hoch.
„Sie hatten was mit einander! Oder? Dad und Daniel…“
Teresa seufzte.
„Vergiss es, Schatz. Ist längst Gras drüber gewachsen.“
Vergessen? Ganz kurz überlegte Nika, ob ihr Gehirn
unter der afrikanischen Sonne durchgebrannt war, denn auch das verursachte, wie
jeder wusste, Brechreiz.
„Dad und Daniel, also? Ich fasse es nicht!“
„Na und.“ Teresa warf ihren Löffel in den Korb. Der
Eisbecher bekam seinen Deckel mit Schwung zurück und flog hinterher. „Es ist
lange vorbei, Nikki.“
„Seit wann genau ist es denn vorbei?“ Prinzipiell war
es Nika völlig egal, mit wem Julian ins Bett hüpfte. Wenn es nicht gerade
Daniel war.
„Seit 90 Jahren.“
Nika brauchte ganz dringend etwas anderes als dieses
Eis. Aber im Korb waren nur PEZ-Streifen. Sie nahm einen heraus und riss die
Verpackung auf. Scheiße.
„So was von scheinheilig! Und mich lässt er einfach
stehen, nur weil ich damit leben kann, Sophies Beerdigung zu verpassen!“
Teresa zog die Augenbrauen hoch.
„Du
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