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Essenz: Band 1 [Das Blut der Götter] (German Edition)

Essenz: Band 1 [Das Blut der Götter] (German Edition)

Titel: Essenz: Band 1 [Das Blut der Götter] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Youya Lo
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nicht langweilen. Du
kannst dir anhören, was deine neuen Nachbarn zu erzählen haben.“
    Ein Kuss auf die Stirn, und Julian war verschwunden.
     
    Im gleichen Augenblick krachten Tausende von Stimmen
in Nikas Kopf. Sie waren lauter als alles andere. Sie taten weh. Nika begriff,
dass Julian die Funktion eines Amuletts für sie übernommen hatte; solange er
bei ihr gewesen war, hatte er sie vor äußeren Einflüssen beschützt. Jetzt aber
spürte sie die Auswirkungen ihrer neuen Fähigkeiten, zumindest die der
Telepathie. Und der Empathie.
    „Das kann nicht wahr sein!“, flüsterte sie entsetzt
und versuchte instinktiv, sich gegen den Krach zu schützen, indem sie sich die
Ohren zuhielt. Doch das änderte gar nichts. Auf diese Weise konnte sie die
Geräuschkulisse nicht ausfiltern, nur fiel ihr leider nichts Besseres ein. Es
war so laut, dass sie sich selbst nicht mehr denken hören konnte. Was irgendwie
seltsam erlösend war.
    Also legte sie sich auf die Erde in diesem Wellblechkabuff,
das jetzt ihr Zuhause war, rollte sich zusammen und ließ das Chaos von
Gesprächsfetzen, das Bellen von Fernsehgeräten, Radios und Telefonen, das Lachen,
das Streiten, das Singen, Summen, Wünschen und obendrein die Schreie, Ängste und
Träume der Welt da draußen ihren Verstand übernehmen, weil ihr sowieso nichts
anderes übrig blieb.
    Sie war gefangen im Lärm der Favela. Aber der Lärm
beschützte sie vor ihren eigenen Gedanken.
     
     
    Zur gleichen Zeit saß Gwen Miller am Bett ihrer
Jüngsten und hielt ihre Hand. Madeleine schlief. Sie merkte nicht, dass ihre
Mom ihre Erinnerungen ein weiteres Mal durchforstete, obwohl sie das schon
mehrfach getan hatte und alles Wissenswerte längst aufgestöbert war.
    Es war wie ein Zwang.
    Gwen konnte die Zeit der Gefangenschaft nicht oft
genug nach Anhaltspunkten durchsuchen. Sie musste sich vergewissern, dass sie absolut
alles registriert und nicht die winzigste Kleinigkeit, nicht den geringsten
Hinweis übersehen hatte. Denn außer der überraschenden Erkenntnis über die
Identität der Entführer, gab es nicht viel Hilfreiches. Wenn Becky Lance
allerdings die Aggressorin war, und die wenigen Nachgeboren der Umgewandelten
ihre Zielobjekte, dann lag der Beweggrund natürlich auf der Hand. Es war nichts
weiter als Vergeltung.
    Aus keinem anderen Grund war Clare gestorben. Nur aus
Vergeltung. Nika war davongekommen. Jonah ebenfalls, und Madeleine würde es
auch noch schaffen.
    Ein Kind hatte Gwen aber verloren. Daniel.
    Und was bedeutete das alles für Flora? War die Tochter
ihrer längst verstorbenen, menschlichen Freundin ebenfalls in Gefahr? Gwen war
für das Mädchen verantwortlich.
    Wie viel wussten diese Verbrecher über Flora?
    Gwen entschied, Rani zu warnen. Floras heimliche Beschützerin
musste die Sicherheitsvorkehrungen verschärfen. Außerdem würde Gwen eines der
Kinder bitten, ein Auge auf Flora zu werfen, nur für den Fall der Fälle. Oder
konnte sie Tristan möglicherweise davon überzeugen, sie aus Mumbai nach Hause
zu holen? Mit ihm würde sie freiwillig gehen.
    Aber nein. Das war nicht fair. Gwen hasste
Manipulation.
    Also, was sollte sie tun? Nicht auszudenken, wenn dem
Mädchen etwas passierte.
    Sie seufzte, strich ihrer Jüngsten die weichen Locken
aus dem Gesicht und stand auf.
    Notfalls musste sie eben das komplette Apartmenthaus,
in dem Flora wohnte, unter einen Voodooschutzzauber stellen lassen. Oder
zumindest alle Zugänge zu der Etage, in der sich Floras Apartment befand.
     
    Madeleine bewegte sich ein wenig und stöhnte leise auf.
Gwen beugte sich zu ihr hinunter und legte die Hand auf die Stirn ihrer Tochter.
Sie wartete, bis Madeleine wieder in eine Tiefschlafphase fiel und ging hinaus.
     

Zweiundzwanzig
     
    Mittwoch, 09. Januar 2013
     
    Nika wurde sich ihrer Traurigkeit wieder bewusst, also
war klar, dass ihre eigenen Probleme durch den wirren Gedankenbrei hindurch
wieder in den Vordergrund traten. Die fremden Stimmen drehten ihre Lautstärke
soweit herunter, dass Nika das Rauschen des nahen Ozeans bemerkte.
    Je mehr sie sich auf das Rauschen konzentrierte, desto
leiser wurden die Stimmen. Und desto größer der Schmerz in ihr. Sie versuchte,
sich zu öffnen und ihn herauszulassen, vorbei an all den Ablenkungen. Doch
immer, wenn die bohrenden Fragen ihr Gehirn eroberten, schob sie sie wieder weg
und konzentrierte sich auf den Lärm der Welt. Bis die Fragen sich nicht mehr
übertönen ließen. So wie die Tatsachen.
    Nun, sie würde ja herausfinden,

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