Esti (German Edition)
Wurstfinger. Lili musterte von Zeit zu Zeit immer gereizter Estis schwärmerische Visage.
Kornéllein, ein fürchterlicher Verdacht macht sich in mir breit. Ist es möglich, Kornéllein, dass Sie mich gar nicht ficken wollen?
Umsonst klimperte sie weiter, es wurde sehr still.
Lieber Himmel, ja, Sie wollen nicht. Kornéllein, machen Sie sich vom Acker, versuchen Sie hier ja nicht, sich in mich zu verlieben! Wenn Sie es sich überlegen, dann blase ich Ihnen einen, aber schauen Sie mich bitte nicht so an, das ist nicht im Preis inbegriffen …
Der Schoß der Karpaten
E sti (weißer Seidenschal, im Schoß der Karpaten): Mit meinem offenen Buick bog ich um Mitternacht ins Kronstädter Hotel Krone und schoss mit meiner Browning den Kronleuchter runter. Das waren noch Zeiten, Alter.
Appendix: Auf dem Nacken der Bratschistin und der zweiten Geigerin befindet sich haargenau an der gleichen Stelle, gleich groß, von gleicher Farbe (von Dunkellila ins hellere Purpur spielend) ein wie blutunterlaufener Fleck? Wie das? Warum? Wer? Dem armen Kornél Esti fallen nur Schweinereien ein.
Die Würde des Neins
E sti hatte auch eine Gleichgewichtstheorie. Er arbeitete sie aus. Wir waren voller Theorien, betrachteten die Abstraktion als Kern unseres menschlichen Seins und meinten, all das sei überaus wichtig. Obwohl wir nicht mehr ganz jung waren – doch wir beschäftigten uns noch nicht damit, ob wir jung waren oder nicht –, kamen wir damals regelmäßig zusammen, um über den Roman zu reden.
Natürlich über den Roman als solchen; aufgeregt träumten wir vom absoluten Roman, vom totalen Roman, vom Minimumroman, vom stummen Roman, vom narrationslosen Roman (Pityus Idee!), überhaupt vom -freien Roman – decaf?, Kinder, decaf? –, vom vollen Roman, vom leeren Roman; wir fuhren am Limit, wie es bei Formel-1-Reportern heißt. Auch die aktuellen Bestseller prüften wir auf Herz und Nieren, so im Rückblick waren wir sehr großzügig, wir schwadronierten gehörig, da wir uns im Vorromanzustand befanden, waren wir nicht betroffen.
Auch Esti lungerte mit uns herum, doch er äußerte sich nie, las ununterbrochen und lächelte aus seinem Buch aufblickend so süß, dass wir nicht böse auf ihn sein konnten, weil schon wieder nur er am vornehmsten war. Ohnehin waren wir, nicht wahr, mit anderem beschäftigt. Und wir dachten auch nicht, dass er vornehm war, sondern hochmütig, und den Hochmut schätzten wir hochmütig gering.
Doch wir waren im Irrtum.
Einmal fragte ich ihn aus Höflichkeit, ob er gelesen habe, worüber gerade jeder sprach. Verschämt schüttelte er den Kopf, das Buch lesen – blättern, mein Alter, blättern, rief er eifrig – jetzt so viele, er sei deshalb mit dem Buch einer kroatischen Dichterin über Zwetajewa zusammen, und begeistert erklärte er, dass dies keineswegs als Gegenlektüre gedacht sei, er lese nicht gegen den auch von mir geschätzten erfolgreichen Autor, vielmehr ausschließlich für das Gleichgewicht der Welt, und er wolle es nicht an die große Glocke hängen, er betreibe weder Propaganda noch Gegenpropaganda damit, dass dieses Buch an die Stelle des anderen tritt, nein, er leiste lediglich eine Arbeit, von der er meine – also alles klar, oder?!
Still anderes lesen, das lernten wir von Kornél Esti.
Esti ging noch weiter und versuchte seine Theorie auch auf weniger intellektuellen Gebieten des Lebens zur Geltung zu bringen. Als alle die Vorzüglichkeiten der Starwinzer tranken, stöberte er unter den Flaschen (200-Stück-Lieferung!) der namenlosen Weinhandwerker, als der um sich greifende Gesundheitswahn schon alle Innereien aus der Küche vertrieben hatte, spürte er (mit seinem Freund Ulrik Vencel) die aus den siebziger Jahren übriggebliebenen Gasthäuser auf – in der Hoffnung auf frisches überbackenes Hirn, sämige Kutteln mit Hirn, deftige Schweinshaxe mit Kutteln, Hirn mit Nieren, geröstete Leber, Kalbsbries, sogar Lammbries und die obligatorische Niere in Senfsauce (vergeblich! vergeblich!).
Es war ein aufopferungsvolles Leben, auch er fuhr am Limit. Zum Beispiel widerstand er, obwohl er neun Sprachen konnte, mit großer Anstrengung dem Englischen, dabei drangen die Sprachen in Esti ein wie früher der Bandwurm in das Kind, man bemerkte es gar nicht und schon war er okkupiert. So langsam spricht jeder Englisch, die Welt wird aus den Angeln gehoben. Nix Inglisch, das ist Kornél Estis menschheitserlösende Würde. Nun, wenn ich ihn richtig verstehe. Wer vornehm sein will,
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