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Esti (German Edition)

Esti (German Edition)

Titel: Esti (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Esterházy
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waren – – – offensichtlich fahre ich dann, wenn ich nicht muss, und fahre nicht, wenn ich müsste – – – Warten wir noch auf die Jungen, sagte ich sofort – – – das ernst gemeinte »Nein« und das ernst gemeinte neue »Ja« kamen offenbar zu schnell hintereinander, doch in diesem Haus kannte man die schnellen Sätze – – – obwohl wir genau darum – – – auch darum – – – trauerten.
    Von den Jungen hörten wir die Geschichte noch einmal – – – die kalten Beine, der Helikopter, die Verständnislosigkeit des Assistenzarztes, dass abends um acht – – – es tat gut – – – wie eine profane Zeremonie. Von jemandem zu erzählen bedeutet, wir finden uns nicht damit ab, dass er nicht da ist – – – mit seinem Nichtsein – – – »Erinnerung: der Feind der Vernichtung«, schreibt Balassa, Vasadi zitierend. Von Toten – – – Leblosen – – – kann man nicht erzählen – – – Oder umgekehrt: Das Erzählen definiert den Tod neu – – – das Totsein – – – Das Erzählen wächst über uns hinaus – – – Das Wort ist größer als das, was es bezeichnet – – – genug – genug, schließlich! – – – auch Wittgenstein ist tot.
    So wie unsere Gesichter war auch das des älteren Sohnes tränenverschmiert, das des jüngeren aber war trocken, diszipliniert. Auf ihn muss man besser achtgeben. Über sie ist nicht nur der Tod ihres Vaters hereingebrochen, sondern auch das Leben ihres Vaters – – – auf der Stelle ein Haufen praktischer Entscheidungen – über Bewerbungen, Kredite, begonnene Investitionen – – – Seine Leiche ist doch noch nicht einmal kalt! Doch, Jungs, ist sie. Einerseits ist sie kalt, andererseits wird sie niemals auskühlen. Meine Stimme war brummig und väterlich geworden – – – ich log nicht, leugnete nichts – – – ich versuchte das sterbliche Wesen des Menschen – – – das Gewesensein – – – in natürlichem Licht erscheinen zu lassen und gaukelte auch nicht verheißungsvoll das ewige Leben vor – – – Dennoch zu zielstrebig – – – zu klug daherredend – – – Zumindest glaubte ich auf dem Gesicht des Jüngeren ein wenig Verachtung zu lesen – ihm ist jetzt alles erlaubt, dachte ich, für ihn ist es der größte Schlag – – – nein – – – er kann es vom Typ her am wenigsten kompensieren.
    Draußen am Auto – – – beim Abschied – – – wurde ich wieder väterlich – – – lange – – – wollte ich sie nicht beruhigen, zum einen, weil ich es nicht kann, zum anderen sollten sie nur unruhig sein – – – es ist das Mindeste, dass wir den unerwarteten Tod unseres Vaters beunruhigend finden. Als wir dann den Berg hinunterrollten – – – hinein in den lila Sonnenuntergang – – – in das Lila mischte sich unerwartet, vielleicht vom komplizierten Widerschein des Sees, ein weiches, blasses Grün – – – ertappte ich mich auf einmal dabei, dass mein Kopf zitterte – – – mein Kopf wackelte – – – nein! nein! nein! Nur zu, sagte meine Frau kalt. Ich sah, sie dachte mehr an die Ampel, nicht an den Tod. Den Tod meines Vaters hatte ich damals sofort akzeptiert – – – begriffen, akzeptiert – – – den Tod meiner Mutter nicht – – – ich stritt, krakeelte, verbat es mir – – – ich war gekränkt – – – doch ich begriff ihn, insoweit zumindest, dass ich nicht glaubte, sie – – – oder meinen Vater – – – jederzeit auf der Straße treffen zu können – – – nein, niemals.
    Jetzt wäre ich nicht überrascht. Flatterte hier auf einmal Misis weißes Haar – – – als blickte ich in den Spiegel.
    Eine Woche später war die Beerdigung – – – aufgrund von Organisationskonfusion erfuhr ich es erst an dem Tag – – – ich warf mich ins Auto, ich kann mich nicht erinnern, wie ich dorthin kam – – – ich vermische die beiden Fahrten. Ich erinnere mich an die eitle Freude darüber, dass ich den Friedhof sofort fand – den richtigen Friedhof – – – und wie geschickt ich einparkte, sogar darauf achtete, danach in Fahrtrichtung zu stehen – – – so etwas beschäftigte mich, wie ich zwischen den vielen Menschen – – – der herausströmenden Menschenmenge – – – wenden würde, aber das hatte ich gelöst. Fein, du bist geschickt. Zerstreut – – – die Sonne schien – – – hatte ich den Regenschirm mitgenommen – – – meinen treuen Parapluie – – – als ich es bemerkte – – – bemerkt hatte – – –

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