Esti (German Edition)

– Ende.
    Rot – – – rotfleckig – – – und nass, tränenaufgeweicht – – – die Gesichter von uns dreien – – – als wären wir Geschwister. Weder zu reden noch zu schweigen hilft, aber zu reden ist ein wenig besser. Noch ist alles zu nah – – – noch kein Tag ist vergangen – – – gestern um die Zeit – – – und so weiter. Es ist, als – – – es ist ein bisschen so, als – – – könnte man es rückgängig machen – – – Kann man nicht, und deshalb waren wir leicht wütend aufeinander – – – die anderen, der andere ist Zeuge – – – gäbe es keinen Zeugen, gäbe es vielleicht auch die Sache selbst nicht. Ist etwas passiert, Papa? Und ob etwas passiert, wenn du mich früh um vier nicht schlafen lässt. Aber deine Beine sind so kalt! Es ist Sommer, ich kühle sie absichtlich. Papa, es ist nicht Sommer! Dann nicht, aber es wird Sommer sein! Also murre nicht, schlaf, wir müssen sowieso gleich aufstehen.
    Eine Weile kann man die Zeit noch hinauszögern, dann nicht mehr.
    Wir tranken feierlich ein Glas Wein, seinen Wein. Tiefes Schweigen. Ich dachte blasphemisch an die Kommunion. Wir haben ihn zu uns genommen. Jetzt ist Misi wirklich gestorben, das kam mir in den Sinn. Vielleicht auch der Witwe – so hieß sie jetzt – und aus ihr brach – – – nun, sozusagen das Übliche – – – das ist eine schäbige Gemeinheit, das könne der Misi nicht mit ihr machen – – – sie sagte seinen Familiennamen, nur ich möchte ihn nicht schreiben – – – taktvoller Schriftsteller!, ich wünschte, er wäre, wo der Pfeffer wächst! – – – was soll sie denn jetzt machen?, dass er einfach so von ihr gehe, das hätte sie nicht erwartet von dem Mann, in dessen Hände sie ihr Leben gelegt habe, das Glas ist voll, noch mehr sei sie nicht gewillt zu ertragen, nein, nein, nein.
    Ich fiel ihr ins Wort – – – als wollte ich meinen Freund verteidigen, der, nicht wahr, nicht aus böser Absicht gestorben war – – – nicht aus Nörgelei – – – oder Egoismus – – – da fiel mir ein, dass es gar nicht so sicher war, vielleicht war er des Schmerzes müde – – – des ständigen Schmerzes – – – doch darüber schwieg ich – – – Hier ist nicht Misi verantwortlich, mein Herz, bitte den Chef zu schelten, und ich zeigte theatralisch nach oben – – – gegen die Decke – – – bitte schön ihn fragen, wie er sich das gedacht hat – – – was da los ist – – – was er darüber denkt. Die Witwe blickte hinauf, dorthin, wohin ich gezeigt hatte – – – sie zuckte die Schultern, so gleichmütig, dass selbst der Herrgott verzweifelt gewesen wäre – – – oder seine Existenz in Zweifel gezogen hätte. Ich verstummte wie ein kleines Kind.
    Forschend – – – und irgendwie überheblich – – – betrachtete – – – musterte uns – – – die Witwe. Ob wir wüssten, was für ein Tag gestern gewesen sei. Wieso was für ein Tag, sagten wir im Chor, nun – – – Stocken, wir wollten Misis Namen nicht aussprechen – – – nun, sein Todestag – – – er ist gestorben. Ich schätze es gering oder verachte es, vielleicht verachte es – – – wenn man nicht wagt zu sagen, tot, er ist gestorben – – – sondern, er ist von uns gegangen – weilt nicht mehr unter uns – – – Nein, er ist gestorben, und Würmer fressen seinen Leib – – – sein Fleisch. Ich sprach den Tod aus, doch beim Subjekt begann ich herumzueiern – – – beim wer – – – ich wollte nicht sagen, wer gestorben ist – – – nur, dass das Sterben ist.
    Meines Erachtens glaube ich nicht an die Existenz der Seele. Das hätte ich nicht von mir gedacht.
    Wie einen Trumpf stieß sie hervor – – – was für ein Tag – – – der Geburtstag jenes Jemand! – – – den ich schon erwähnt habe – – – der, mit dessen Tod sie sich nicht abfinden konnten – – – mit dessen Tod sich abzufinden auch nicht möglich war. Sie schaute uns an – wir waren erschrocken, starr vor Schreck – – – als hätte sie einen Beweis gefunden – – – man weiß nicht genau, wofür – – – aber einen schwerwiegenden Beweis.
    Ich erinnere mich nicht, dass es je so eine saure, beschissene Stille gegeben hätte – – – dass ich an so einer teilgehabt hätte. Und natürlich, man weiß, was für ein Beweis – – – nur meiden wir auch das wie ein fauler Hund das Wasser. Der Beweis bezog sich nicht mehr auf Misi – – – dass genau dieser Tag sein