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Esti (German Edition)

Esti (German Edition)

Titel: Esti (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Esterházy
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ärgerte ich mich – aber später!
    Auch diverse Weinbruderschaften präsentierten sich – – – sie waren in ihren prunkvollen Überwürfen erschienen – – – Schönheit und Missverständnis: als wären sie Priester – – – heidnische Priester – – – auf jeden Fall Eingeweihte. Links vor mir stand die Familie, ohne sich zu rühren, wie Statuen. Dienstag nach Ostern – – – war es – – – wir schrieben Dienstag. Auch das, was für ein Tag – – – Dienstag nach Ostern!
    Es wurde viel geredet, aber relativ kurz – – – wieder schoss es mir wie immer durch den Kopf: Besser die bekannte katholische Zeremonie, sie ist zwar unpersönlich – – – flutscht in der geölten Berechenbarkeit genauer Regieanweisungen – – – doch so ist die Unaufrichtigkeit weniger auffällig, als wenn sie der Persönlichkeit, dem Stil des Sprechers ausgeliefert ist – – – dem lebenden Menschen – – – diesem definitiven Risikofaktor – – – Von so viel Sentimentalität, die da aufgeschüttet wurde, drehte sich der Tote im Grab um – – – obwohl Tote vielleicht großzügiger sind – – – als ich. Eigentlich stieß auch ich mich nicht daran, dass es vor Metaphysik nur so triefte – – – meine Ohren hörten es, ich habe es mir gemerkt, das ist alles.
    Misis letzter Schabernack – – – so sagten danach sogar mehrere – – – ich erinnere mich an drei, an drei voneinander unabhängige Quellen – – – auch von den Toten machen wir uns anthropomorphe Vorstellungen – – – Der von mir bereits erwähnte Sonnenschein – – – Regenschirmereignis! – – – war plötzlich verschwunden – – – und wie wir eben zum Begräbnis, so versammelten sich am Horizont dunkle Wolken. Innerhalb eines Augenblicks wurde es so dunkel wie bei der Golgatha-Szene in amerikanischen Filmen – – – halbnackte römische Soldaten, Jesus Christ Superstar – – – oder das unheilschwangere Dunkel der frühen Bergman-Filme – – – ihr todesnahes melancholisches Dunkel – – – bei ihm ist die Nacktheit unter den Kleidern, dort aber – – – brennt sie heftig – – – der ins Dunkel spielende Himmel und das Meer und die unverhüllbare, brennende Nacktheit – – – Es war eine furchteinflößende Dunkelheit – – – wie aufgescheuchte Hühner drehten wir unsere Köpfe zwischen Himmel und Bahre – – – Jüngstes Gericht, Sonnenfinsternis, diese Dinge – – – und da brach der Schneesturm los – – – ein unwahrscheinlicher Schneesturm Ende März. Der Schnee fiel in großen, wattigen Flocken – – – zufrieden spannte ich meinen heute schon einmal verratenen Regenschirm über mir auf.
    Als wir uns Richtung Grab in Bewegung setzten, hörte der weiße Schauer wie auf Kommando auf – – – als wären auch die Wolken nie dagewesen – – – Sonnenschein, als wäre nichts geschehen. Die auf den Mänteln sitzenden Schneeflocken tauten innerhalb eine Augenblicks zu funkelnden Wassertropfen – – – abgesehen von zwei Mänteln, die das Wasser einsogen – – – nasse Flecken bekamen. Unterdessen hatte der Zug angehalten – – – seine Spitze hatte das Ziel erreicht – – – es war ein ökumenisches Begräbnis, die Katholiken sangen, die Protestanten predigten – – – ich sah nur die Mäntel – – – wie einst in meiner Kindheit – – – und da, als wäre ich in einem König-Mátyás-Märchen – – – dessen Moral noch nicht definitly klar ist – – – offensichtlich das Übliche – – – unglaublicher Reichtum!, auf Husarenjacken und Schafspelzen – – – Überwürfen und Streitkolben – – – so viele Diamantklumpen funkelten – – – dass mir die Augen weh taten – – – Das gehörte noch zum Schabernack unseres Freundes – – – dieser plötzliche Reichtum: mitten auf unseren Rücken!
    Oben die Sonne, unten der Diamant: zwei Lichter. Zwei Lichter: Das war das Begräbnis.
    Auf der Autobahn bog Kornél Esti plötzlich zu einer Tankstelle ab, er hielt an, um zu weinen, aber er konnte nicht weinen. Ein tränenloses Schluchzen schüttelte ihn. Zu leicht hatte er gesagt, mein Freund – – – dass sein Freund sein Freund war – – – er war es fast – – – sie waren auf einem guten Weg – – – der Weg für die Freundschaft war entsprechend geebnet.
    Nur dieses – – – dieser Diamantenkram – – – hatte ihnen dazwischengefunkt.
    Zum ersten Mal in seinem Leben dachte er nicht von vorn an sein Leben –

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