Esti (German Edition)
– Mein Herr und Gebieter über das Land, mein Leben und Tod liegt in deiner Hand. Sie berührte seine Beine, und die waren so kalt – – – knisterten förmlich – – – dass sie die Hand zurückriss. Sie rief den Arzt, und ihr Mann protestierte nicht, lachte sie nicht aus, konterte nicht wie sonst mit zwei schnellen Wortwitzen – – – Er brauchte gar keinen Grund, es reichte die Möglichkeit – – – die Hellebarde der Ironie sauste herab, wenn sie herabsausen konnte – – – ich erörtere jetzt nicht, ob es die Hellebarde der Ironie gibt – – – Toledoklinge? – – – Bühnendolch? – – – doch auf keinen Fall Plastik?
Der noch verschlafene, aber fachkundige Arzt der Gemeinde stellte fest, in seinen Beinen gebe es keine Blutzirkulation – – – null, mein Misi, null – – – ab ins Krankenhaus von Veszprém – – – tatü, tata, Krankenwagen – – – wie spät mag es da gewesen sein?, etwa halb sechs, sechs – – – dort stellte man fest, Aortariss – – – kommt selten vor, keine Vorzeichen, keine Symptome, auf einmal reißt die Hauptschlagader – – – eine schleichende Krankheit – – – du spielst mit deinem Enkel, er ist der Löwenkönig, du bist der Löwenuntertan – – – lange erklärst du dem kleinen Menschen, was für eine verantwortungsvolle Sache die Löwenuntertanenschaft ist – – – natürlich nicht vergleichbar mit dem Königsein, nichtsdestotrotz, wenn auch er, der Enkel, einmal Löwenuntertan sein wird und nicht König wie jetzt – – – denn, mein Kleiner, das kommt vor, dass man nicht König ist – – – dass man nicht der Größte, Stärkste, Schönste ist – – – selten, aber es kommt vor – – – Und dann – – – dann nichts, kein Ratsch – – – die Hauptschlagader reißt nicht so, wie auf dem Ring die riesigen Wasserrohre aus dem neunzehnten Jahrhundert brechen – – – oder vielleicht reißt sie so – – – aber das Blut fließt nicht so – – – es fließt gar nicht, es sickert – – – wir schlafen ruhig und inzwischen sickert es – – – deshalb sind die Beine kalt, das Blut gelangt nicht hin – – – eine hinterhältige Krankheit – – – du glaubst, du bist einer der beachtlichsten Löwenuntertanen, und währenddessen bist du schon zerrissen – – – bist du beachtlich zerrissen.
Der Helikopter zeigte schon die Größe des Unglücks an, mit dem – – – mit dem Helikopter, nicht mit dem Unglück – – – er ins festgelegte Krankenhaus, nach Zalaegerszeg gebracht wurde – – – Oben fliegt Vater, unten mit dem Auto die beiden Söhne und die Ehefrau – – – zwischen den heiteren Hügeln von Zala, die an die Toskana erinnern – – – Niemanden hatten sie in den Helikopter gelassen – – – Wenn kein Platz ist, meine Dame, dann ist kein Platz – – – Gegen zehn begannen sie mit der Operation – die Chancen stehen gut, meine Dame – – – Doch die Chancen verschlechterten sich, weil in seinem Nacken noch eine Ader riss, weitere zwei Stunden – – – zwei verhängnisvolle Stunden – – – Die Zeit verging nur so – – – die Zeit raste – – – und die Familie wusste nichts – – – sie hatte keine Informationen – – – Woraufhin der jüngere Sohn, mit zunehmender Strenge und Lautstärke – – – Woraufhin der eine Assistenzarzt – – – sagen wir – – – ungeschickt – – – mit ungeschickter Sachlichkeit – – – mit einer Genauigkeit, die als Teilnahmslosigkeit empfunden werden konnte – – – Vielleicht war er zu jung und berücksichtigte deshalb nicht – – – war nicht in der Lage zu berücksichtigen, was eigentlich der Gegenstand – – – Leben und Tod – – – der zweifelsohne ungeduldigen und Rechenschaft fordernden Fragen des Jungen – – – jungen Mannes – – – war.
Und inzwischen – – – die länger als erwartet dauernde Operation – – – die zwei Stunden! – – – Herzstillstand – – – das das ganze Leben lang arbeitende, prinzipiell heitere, letztlich aber leidgeprüfte Herz – – – Misis Herz blieb stehen, und es begann der Kampf, es wieder in Gang zu setzen – – – ungefähr um sechs begann dieser letzte, krampfhafte Kampf um sein Leben, und gegen acht sagte der vollkommen erschöpfte Arzt an der Grenze zum Schluchzen, wir haben ihn verloren.
Also in der Nacht, beim Schlafengehen noch nichts, zwanzig Stunden später: alles – – – beziehungsweise nichts – –
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