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Esti (German Edition)

Esti (German Edition)

Titel: Esti (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Esterházy
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auch das Komma, sondern auch Welten; die Menschheit. Ich wäre enttäuscht, würden die Freunde meiner Freunde – wiewohl ich weiß, dass die Freundschaft keine transitive Relation ist – es nicht verwenden. (Ich sehe wohl, dass das Eis hier dünn ist, doch wir bewegen uns nicht auf dem Gebiet von Eigensinn oder Hochmut; und dies ist nicht wie das keuchende Lob auf die Konjugation der ik-Verben, hier sehe ich nicht die selbstverständliche (Selbst-)Lächerlichkeit des imperativen Bonmots »ein guter Mensch konjugiere die ik-Verben gut, schlechte schlecht«.)
    Lernen wir jemanden kennen, ist es vielleicht das, was wir zuerst klären sollten: Verwendet er es?, verwendet er es nicht? Eine gemeine Seele nie. Und in schlechten Texten, im Boulevard kommt – wetten! – dieses Zeichen nicht vor. Sicher, wenn es in einem Text vorkommt, heißt das noch gar nichts; errette uns, o Herr, von den Snobs!
    Ein vornehmes Satzzeichen; das ist wahre Vornehmheit: Feinheit und nicht Überheblichkeit. Altmodisch, leicht resigniert; alt, aber nicht veraltet. In ihm steckt Kraft, Selbstsicherheit, weil Zeit in ihm steckt, Tradition. Gut möglich, dass diese Tradition, wäre sie eine Latte, wackelt. – Das aktuellste Satzzeichen sind übrigens die Anführungsstriche. Ein postmodernes Zeichen, es setzt alles in die Fiktion des sozusagen . »Die« »postmoderne« »Welt« »setzt« »jedes« »Wort« »in« »Anführungsstriche« (vor allem das Ich und Gott, die sie auch regelmäßig verwechselt, was dann die Quelle von viel Traurigkeit geworden ist, wird, werden wird). Sie setzt ein Hindernis zwischen den Gegenstand und den Namen des Gegenstands oder, besser, sie konstatiert diese Verknorrung und nimmt sie zur Kenntnis, zieht die Selbstverständlichkeit der sprachlichen Konvention in Zweifel – und, ah, schon wieder sind wir bei Wittgenstein und dem Sprachgebrauch …
    Das Semikolon ist die Organizität schlechthin, das diskrete Zeichen der Strukturiertheit des Denkens; es signalisiert die empfindliche Zusammengehörigkeit, die Kohäsionskraft und das ständige Pulsieren von Identität und Verschiedenheit, das wir getrost mit der europäischen Kultur als solcher gleichsetzen können. Das Semikolon ist das Emblem dieser Kultur; ihre letzte Festung – wollte ich schreiben, doch besser: am Aussterben: Festung und Mastodon.
    Schrieb Kornél Esti; und es fiel ihm noch ein, dass aus jeder Festung – ausnahmslos – eine Ruine wird, doch das schrieb er nicht mehr hin. Nicht die Festung, nicht die Ruine, dieses »wird« ist Estis Leben.
Schmus
    Kornél Esti wurde unvermittelt, von einem jungen Mann, gefragt, warum er schreibe. Wird das nicht vielleicht aus meinen Texten klar?, antwortete er nur so. Wochen später erhielt er einen Brief, darin stand nur: Nein. Er sah es förmlich vor sich, wie der junge Mann den Kopf senkte.

Sein kurzes Leben
Distanz-kurzes
    E sti hatte diese große, große Fähigkeit, Distanz zu schaffen. Abstand zu halten. Nur: wovon? Von wo wird der Abstand gemessen? Vom Leben, haben die Theorieexperten die Antwort parat. Nur gerade diese Distanz ist sein Leben geworden. Schreibe, und jammere nicht.
Fragment-kurzes
    , kreischte Kornél Esti wie eine Ballkönigin, die sich gerade auf ihren Hintern gesetzt hat; (Esti) sitzt auf dem Parkett, grinst, über ihr wird Walzer getanzt. Dieses Sitzen und dieses »über ihr« ist ihr Leben. Und, überflüssig zu erwähnen: der Walzer!
Zwei Gardeleutnant-kurze
    Mein kleiner Gardeleutnant. Stop. Ich habe nichts zu erzählen, du bist mir nur in den Sinn gekommen. Stop. Esti. Stop. Dieses leer verstrichene Verlangen ist Kornél Estis Leben.
    *
    Liebe Dóra, in Esti stieg eine alles hinwegfegende Sehnsucht auf, dies auszusprechen. Dieses Fegen ist sein Leben geworden.
Zwei unterbringen-kurze
    Das Motto von Kornél Estis Leben könnte sein: Bringen wir in einem (realen) Satz die Wörter beziehungsweise Ausdrücke »Kabanos«, »Hundert-Lei-Maid von Csíkszentdomokos« und »Rührei brüsen« unter. Ich muss nicht sagen, dass dieses in Klammern gesetzte »real« Estis Leben ist.
    *
    »Sie zog den BH aus – ihre Brüste wie die Ohren eines Vizsla.« Das müsste man in einen größeren Zusammenhang oder eine kleinere Handlung einbetten. Dieses Einbetten ist Estis Leben. Dieser BH ist Estis Leben. Dieser Vizsla ist Estis Leben. Mit jedem Vizsla, so auch mit diesem, verhält es sich so, dass er dem Jäger das entdeckte Wild anzeigt. Auf Englisch nennt man das pointing. Ohne einen Laut verharrt

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