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Esti (German Edition)

Esti (German Edition)

Titel: Esti (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Esterházy
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nur irgendjemanden auf listige Art und Weise zum Lesen zu überreden, obwohl das sein elementares Interesse wäre.
    Und noch etwas. Über das Wissen und den Genuss hinaus, übrigens nicht unabhängig von beiden, äußert sich die Literatur, so sieht er es, auch zur Frage der persönlichen Freiheit. Das heißt, dadurch, dass ich einen Stendhal gelesen habe, werde ich irgendwann einmal eine Frau und/oder einen Mann und/oder einen Puli anders ansprechen (angesprochen haben), die dann deshalb und nur deshalb, aufgrund dieses aus Stendhal abzuleitenden Andersseins, mich mit Tränen in den Augen ansehen und sagen werden, und davon wird mein Herz erzittern: – Wauuu, Wauuuu.
    Jetzt müsste man also nur noch wissen, was die Literatur ist.
    Niemand war mehr da, weder Mátyás noch Rumpelstilzchen. Leb wohl, liebe Piroschka, pfiff Esti Aradszkys Schlager und dachte nicht gern daran, dass diese Piroschka sein Leben wäre.
Ob-Schmus
    Ist die Frage hier die, grübelte Kornél Esti, ob die Aufforderung »du musst dein Leben ändern« ein synthetisches Urteil a priori ist, oder eher, ob dieser Satz (der, der gerade Gestalt annimmt) überhaupt einen Sinn hat, das heißt, ob er einen Bezug hat oder geradezu identisch ist mit der Problematik der Menge aller Mengen. Auf jeden Fall sollten wir nicht so tun, als verstünden wir, wovon wir reden. Oder wäre vielmehr zu bedenken, ob Wissen eine Ästhetik hat beziehungsweise ob es stimmt, dass in die Schönheit ab ovo eine Art Wissen eingebaut ist. Plötzlich wurde er ungeduldig. Passen Sie auf, ich habe für so etwas keine Zeit. Ich fasse schnell zusammen, was die Literatur ist. Sind Sie bereit? Ich diktiere.
    Die Sprache der Literatur ist nicht die Sprache des Dialogs zwischen verständigen Menschen. Die Sprache der Literatur ist nicht auf Verständigung aus, ihr Ziel ist Schöpfung. Die Schöpfung ist eine dunkle, zwielichtige Angelegenheit, aus nichts etwas machen, das versteht sich nicht von selbst. Wenngleich wir darauf hoffen können, dass sie etwas zutiefst Menschliches ist. Die Sprache der Literatur will also erschaffen, entstehen lassen, sie will ein Gebäude aus Worten errichten. All ihre Aufmerksamkeit gilt dem Gebäude (der Schriftsteller übernimmt hier natürlich alles, er ist Auftraggeber, Hausherr, Architekt, doch auch Polier und Maurer, er ist sogar die etwas füllige, doch noch immer attraktive Frau des Hausherrn), sie muss auf die Proportionen des Gebäudes achten und natürlich auch auf die praktischen Dinge, dass zum Beispiel das Badezimmer nicht in der Küche ist und die Wasserleitungen den elektrischen Leitungen nicht in die Quere kommen, das heißt, sie muss Ordnung halten: Sicher, was die Ordnung ist, das bestimmt sie selbst.
    Die Sprache der Literatur ist nicht auf Verständigung aus, ihr Ziel ist Erkenntnis. Verstehen Sie, was ich sage? Ich sehe es nicht so. Erkennen wir einander? Bartók, Joyce, Wittgenstein, Gödel reden über dasselbe! Der discours, wenn Sie verstehen, worauf ich anspiele … Esti blickte in den Spiegel (im zwanzigsten Jahrhundert eine obligatorische narzisstische Übung); er winkte ab, ihm fiel eine ungarische Redewendung ein: Hier kannst du schön werden, aber nicht klug.
    Dieses »klug« ist Estis Leben.
Rede-Schmus
    Einmal erhielt Kornél Esti einen tierisch großen Literaturpreis. Er zog seine Mauerblümchenbescheidenheit (nur weil sie schlank macht) und die etwas unbequemen, steifen, doch eleganten Preisverleihungsschuhe an, die ihm sein Freund schon vor Jahrzehnten zu diesem Zweck geschenkt hatte, holte tief Luft und sprach: Meine sehr geehrten Damen und Herren. Jetzt holte er kurz Luft. Vor zehn Jahren hätte ich es nicht gesagt, doch jetzt sage ich: Immer seltener möchte ich wie ein öffentlich vernünftiger Mensch sprechen, mich als Intellektueller äußern. Wenn die Rede keine Ordnung hat, die Worte keine Ordnung haben, weil die Begriffe keine Ordnung haben, wenn man wie in einem leeren Raum steht, in dem nichts oder bloß zufällig etwas ist, auf das man sich beziehen kann, dann klebt auf dieser Rede unvermeidlich eine unwillkürliche egoistische Selbstherrlichkeit, ein bisschen Hochmut, doch am ehesten Wichtigtuerei. Irgendwie verschwindet das Objekt im sprechenden Subjekt. Sozusagen. Natürlich kommt es vor, dass man sprechen muss, zum Beispiel wenn etwas Schlimmes passiert und man ja und nein sagen muss, selbst dann, wenn dieser Ernst wie Pseudoernst aussieht.
    Doch wenn nichts Schlimmes passiert und das Schlimme nur

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