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Esti (German Edition)

Esti (German Edition)

Titel: Esti (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Esterházy
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er in Vorstehpose. Diese Lautlosigkeit ist Estis Leben. Doch das ist noch nicht die Lösung des Problems.
Das woran-kurze
    Das Leben ist unerträglich süß, las Kornél Esti in einem seiner alten Hefte. Er streckte sich, die Knochen knackten, wie eine faule Großkatze oder Munkácsys Gähnender Lehrjunge . Woran mag ich gedacht haben? Das ist sein Leben geworden, dahinterkommen, hinter das Unerträgliche, das Süße. Und, fällt mir ein: hinter das Heft.
Das halblang-kurze
    Flittchen, das geht nicht für die Zeit des Konstanzer Konzils, HÜBSCHLERIN , so nannte man affektiert die Huren, die für die Zeit des Konzils dem Bedarf entsprechend in die Stadt geholt wurden, ihre Zahl ist zwischen sechshundert und tausendfünfhundert anzusetzen. Esti stand auf der Seite von Johannes XXIII. oder, besser, er schwankte, er hatte keinen Durchblick, und er war des Durcheinanders um Päpste und Gegenpäpste überdrüssig. Auch der Jan Hus war ihm sympathisch. Er hatte das Gefühl, das Ganze würde zu nichts Gutem führen, die Menschen waren wieder einmal des Denkens müde, da zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts.
    Er ging viel spazieren. Er hatte einen Lieblingsplatz, für ein ungarisches Herz war das schon ein Berg, von dem sich eine Aussicht auf den Bodensee eröffnete. Und er sah im See den Rhein. Vielleicht waren es nur Farben, doch vielleicht entstanden die Farben durch die Wasserbewegung. Das betrachtete er den ganzen Tag, den Rhein im Bodensee. Dort fehlte ihm nichts. Das war die Handlung seines Lebens, dieses »nichts«.
Tschechow-kurzes
    Anton Pawlowitsch Tschechow graute es vor Schnittblumen. Seinen Besuchern schenkte er gern Blumen aus seinem Garten, immer verwelkte, damit die Besucher sie nicht in die Vase stellten, damit sie zu Hause nicht in Versuchung gerieten, in die Vasestell-Versuchung. Das war Kornél Estis Leben, das wäre ihm lieb gewesen.
Schminke-kurzes
    Es hat mich überrascht, sagte Kornél Esti und schminkte sich dabei mit großer Sorgfalt, dass ich prompt in den Himmel gekommen bin. Mehr kann man über sein Leben auch nicht sagen. (Höchstens die Schminke, fügte Gott scherzhaft hinzu.)
Flugasche-kurzes
    Was machen Sie hier, dröhnte Gott zwischen den Wolken wie in einer älteren – oder Retro- – Inszenierung der Tragödie des Menschen . Ich wälze mich herum, antwortete Kornél Esti unbeteiligt. Gott in seiner Güte akzeptierte die Antwort, die Blitze schickte er allein wegen der Nachbarn, damit sein Haus nicht ins Gerede kam. Sicher, so brannte das Haus ab. Sicher, es gab eine gültige Hausratversicherung. Sicher, mit intrigantem Kleingedruckten. Ich wälze mich herum, Esti nickte mit dem traurigen Gefühl von Glück inmitten der schwarzen Flugasche, die schon sein Leben war.

Der Sinn des Lebens
    O b das Leben einen Sinn hat oder nicht, ist eine komplizierte Frage. Ich kann darauf keine Antwort geben. Ich würde gern, wenn ich könnte, aber ich kann darüber nur lachen, sagte Kornél Esti freundlich. Dieses »sagte« ist Estis Ernst, und dieser Ernst sein Leben.

In welchem er den wonnigen Schauder babylonischer Sprachverwirrung genießt
    B ulgarische Skizze. – Giovanna, sie war Kornél Estis bulgarischer Schaffner. Könnte ich sie vögeln!, nun, das ist es, was Esti nicht einmal in den Sinn kam, doch kam ihm in den Sinn, dass es ihm nicht einmal in den Sinn kam. Giovanna war eine Frau, gleich alt, ein Arbeitstier, sie kam aus dem nahen toskanischen Dorf »hinauf«, um bei Esti zu putzen.
    Ich hatte eine bescheidene casa gemietet, sagte Esti, eine von diesen kleinen Wundern der italienischen Architektur, ihr wisst ja, Ebenmaß, Schönheit, Weltganzes in einigen übereinandergeschichteten Steinbrocken; ein Zimmer, jedoch groß und hell, mit der koketten Verheißung der Unendlichkeit und schelmischer Nachmittage. Giovanna kam alle zwei Tage, früh, in der wertvollsten Arbeitszeit, nicht wahr; anfangs floh ich hinaus in den Garten und spazierte und spazierte, doch dann blieb ich, knurrte wie ein verdrossener Wachhund, ein unberechenbarer Komondor etwas Grußartiges und versteckte mich in meinem Schreibtisch. Beim Eintreten holte sie einmal tief Luft, und von da an redete sie und redete sie – und zwar derart schnell und in einer derart wilden lokalen Variante des Italienischen, dass ich, ich schwöre es, kein Wort verstand.
    Es ist ein ungeheures Vergnügen, Freunde, in der Fremde so herumzulaufen, dass einen der Lärm der Münder gleichgültig lässt und man jeden, der einen anredet, blöde

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