Esti (German Edition)
als selbstverständlichen, auf der Hand liegenden Beweis betrachtete.
Tagelang war auf den Knien seiner Jeans das Knien zu sehen. Er streichelte sie immer wieder, schon gut, du kannst, wenn du willst.
Appendix: Esti reiste von Köln, ich erinnere mich nicht mehr, wohin, sei es Portugal, dorthin pflegte er zu reisen, doch es ist nicht von Bedeutung, zumindest nicht in diesem Augenblick. Das war zu der Zeit, als er im Kölner Dom oder davor niederkniete, er kniete gar nicht nieder, sondern fiel auf die Knie. Es tat ihm so gut, die Größe von etwas anzuerkennen.
Ironie hin, die Pflicht zu zweifeln her, Esti suchte ununterbrochen nach der Würde des Sprechens.
Vor dem auf ihn fallenden Dom spürte er seine Winzigkeit. An Augustabenden in der Tiefebene kann der Himmel so wirken. Ersteres betrachtete er für gewöhnlich als Gottesbeweis oder dessen Gegenteil, Letzteres als Gewissheit, Chance und Ermutigung zur Freiheit des im Universum allein gebliebenen Menschen.
Mit dieser guten Laune und beinahe taumelnder Zerstreutheit stieg er in den »Tejo«-Express. Eine noch größere Ruhe als das metaphysische beziehungsweise gegenmetaphysische (was natürlich metaphysisch ist) Erlebnis zuvor gab ihm die Tatsache, dass er eine PLATZKARTE hatte. Wagen, Sitzplatz neben dem Fenster, zu seiner Überraschung aber saß dort schon jemand, ein älteres Paar. Esti zeigte seine Fahrkarte und erklärte ihnen nett und höflich, sie hätten sich geirrt, soweit er sehe, stimme der Platz, aber der Wagen sei ein anderer. Das alte Paar, zwei mitgenommene, dünne Vögel, begriff nur schwer die Situation. Sie schauten einander an, dann ihre Fahrkarte, dann Esti, doch wenn sie etwas sagen wollten, fiel Esti ihnen regelmäßig hilfsbereit und erklärend ins Wort, doch auch wenn er ihnen nicht ins Wort fiel, sagten die Alten letztlich nichts, sie öffneten und schlossen den Mund, winkten ab.
Sie tippelten davon, Esti nahm mit gutem Gefühl Platz. Noch auf dem Bahnhof hatte ihm ein befreundeter Philosoph einen Witz erzählt; Petrus muss aus irgendeinem Grund auf die Erde – aus welchem?, doch Esti wagte es nicht zu fragen –, und als er zurückkommt und das Himmelstor öffnet, nun, da starrt ihn der Satan höchstpersönlich an, scusi, sagt Petrus, ich habe mich in der Hausnummer geirrt. Nein, nein, beruhige dich, mein Freund, wir haben fusioniert.
Er blickte auf seine Fahrkarte und sah auf einmal, dass er auf dem falschen Platz saß, einen Wagen weiter. Er sprang auf, rannte den Alten hinterher und holte sie zurück. Sie standen da um den Platz und die Koffer herum, machten auch jetzt den Anlauf zu einem Satz, sagten aber schließlich auch jetzt nichts, winkten ab. Als Esti seinen Mantel abnahm, sagte der ältere Herr, sichtlich mit letzter Kraft, danke. Esti verbeugte sich wie in einer Operette, oh, gern geschehen, und lächelte zerstreut.
Es wurde irgendwie still, sie waren aus der Zeit gefallen, nur das rasselnde Klappern der beiden alten Körper war zu hören. Da brach der Alte in Tränen aus, Esti wandte sich erschrocken ab, aber es war zu spät, in diesem Augenblick gingen beide auf ihn los, du Lump!, du lumpige Satansbrut!, brüllte der Alte Esti ins Gesicht, die Frau aber schlug ihn, drosch auf ihn ein, sosehr sie nur konnte, sie hingen an ihm wie eine arglistige Kletterpflanze oder ein liebeshungriges Enkelkind.
Appendix: Esti hatte kein Gefühl für den Schmerz, den Schmerz der Welt. Für den menschlichen Schmerz hatte er ein Gefühl. Doch es leuchtete in ihm ein kindliches Vertrauen, das schon an Grobheit grenzte, an Gefühllosigkeit.
Beschreibung von Kornél Estis Leben
Kurze Beschreibung
E sti betet.
Etwas längere Beschreibung
In holdseliger Reihenfolge überlassene Wörter; es ärgerte Esti zutiefst, wenn er mit einem solchen Wörterhaufen nichts anzufangen wusste. Er kam aus der Schweiz zurück, wo er Schweizerisch gesprochen hatte, in der Sprache der Schweizer. Es gibt keinen Schweizer Schriftsteller, der nicht früher oder später Frisch und Dürrenmatt erwähnt. Das muss so sein wie bei uns Bartókundkodály. Welchen Unterschied gibt es zwischen Frisch und Dürrenmatt?, lautet die listige helvetische Frage. Frisch sitzt im Flugzeug, jemand tritt auf ihn zu, entschuldigen Sie die Störung, sind Sie nicht Friedrich Dürrenmatt? Nein, bitte, ich bin Max Frisch. Stille, als wäre es zu Ende. Ja, und? Das ist der Unterschied.
Ärgerlich, ärgerte sich Esti.
Die mürrische Beschreibung
Manfred Frank stellt zu Recht fest,
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