Etenya Saga - Band 1: Soyala - Zeit der Wintersonnenwende (German Edition)
Kehle schnürte sich zu, als hätte er bereits seine riesige Pranke darum geschlossen. Panisch ballten sich ihre Hände zu Fäusten. Unfähig, sich zu wehren, starrte sie wie paralysiert in seine Augen.
Einem Instinkt folgend, machte sie eine kleine Bewegung nach hinten. Im selben Moment flackerte etwas in Bidziils Pupillen auf, das ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Seine pure Mordlust strömte ihr unverhohlen entgegen.
Bleib auf jeden Fall stehen!
Angstschweiß lief an ihrem Rücken hinunter und sie wusste, dass sie bald bewusstlos werden würde, weil sie keine Luft mehr bekam.
Du wirst hier sterben, Livi! Tu was, verdammt noch mal!, fauchte es plötzlich in ihr, und sie bewegte sich auf den Mistkerl zu. Umgehend erloschen die Flammen in Bidziils Augen und Olivia konnte sich wieder bewegen. Reflexartig schnellte ihre Hand an ihren Hals, sie beugte sich nach vorn und schnappte keuchend nach Luft.
Bidziil legte den Kopf unnatürlich zur Seite und sah sie forschend an, als würde er aus ihr nicht schlau werden.
„Wer bist du?“, knurrte er sie jetzt direkt an und hob sein Kinn provozierend in ihre Richtung. Vorsichtig richtete sie sich auf und sah ihn verängstigt an. Tränen liefen ihr über das Gesicht und sie hielt ihren schmerzenden Hals weiterhin umklammert.
„Wer bist du, habe ich gefragt?“, herrschte er sie noch lauter an und kam ein wenig auf sie zu, ohne Lenno loszulassen.
Olivia zuckte vor Schreck zusammen und begann zu zittern. Hilflos wanderte ihr Blick zu Lenno, der seine Augen stur auf seinen Gegner gerichtet hielt. Sie schaute zu Bidziil zurück und öffnete ihren Mund. Doch bevor sie etwas sagen konnte, reagierte Lenno endlich, als hätte er genau auf diesen Moment gewartet. Er wehrte sich gegen den Druck von Bidziils Arm und überwältigte ihn in Sekundenschnelle. Außer sich vor Wut drückte er Bidziils Kopf an die Mauer und fauchte mit gepresster Stimme: „Das ist einfach nur ein Mädchen. Verstanden? Du lässt sie in Ruhe! Sie hat nichts damit zu tun. Verschwinde!“ Er erhöhte aufs Neue den Druck seines Armes, bevor er seinen Gegner losließ.
Die beiden starrten sich finster an, während Bidziil sich zu seinen düsteren Begleitern zurückzog. Lenno bewegte sich währenddessen langsam in Olivias Richtung und stellte sich schützend vor sie. Dann verschwanden die drei Angreifer am Ende der Seitenstraße.
Olivia blickte ihnen bewegungslos nach. Sie spürte nichts mehr. Es fühlte sich an, als hätte ihr Geist ihren Körper verlassen und würde von einem entfernten Punkt aus auf sie hinabsehen. Sie konnte beobachten, wie Lenno sich zu ihr umdrehte, sie bei den Schultern packte und auf sie einredete. Er strich ihr die Haare aus dem Gesicht und sprach die ganze Zeit beruhigend auf sie ein. Aber sie verstand nicht, was er sagte. Bis auf ein lautes Rauschen in ihren Ohren konnte sie gar nichts hören.
Im nächsten Moment starrte sie auf Lennos Brust.
„Bleib stehen, sag kein Wort! Bleib stehen, sag kein Wort …“ Einem Mantra gleich flüsterte sie Lennos Warnung vor sich hin. Wie aus der Ferne hörte sie seine gedämpfte Stimme ihren Namen rufen. Es klang, als hätte ihr jemand Watte in die Ohren gesteckt. Schließlich wurde sein Rufen lauter, bis das Rauschen verschwand und sie die Kontrolle über ihren Körper zurückerlangte. Sie unterbrach ihr Geflüster und schaute Lenno irritiert an.
„Olivia, was ist mit dir?“, fragte er besorgt.
Sie schüttelte bloß den Kopf, zu verwirrt und verängstigt, um antworten zu können.
Sie versuchte zu verstehen, was passiert war, und schaute sich um. Ihr Magen krampfte sich zusammen und sie krallte ihre Finger in Lennos Jacke. Er hielt sie fest.
„Kannst du laufen, Olivia?“, hörte sie ihn fragen und sie nickte, ohne sich dessen bewusst zu sein. „Dann lass uns so schnell wie möglich verschwinden. Ich bringe dich nach Hause.“
Später konnte sie sich nicht mehr daran erinnern, wie sie zu der belebten Straße zurückgekommen oder in welche Richtung sie gegangen waren. Sie kam erst wieder zu sich, als sie sich neben Lenno auf der Rückbank eines Taxis wiederfand. Sie presste sich ein Taschentuch gegen die Stirn, auf der eine blutende Platzwunde von dem Zusammenstoß mit der Mauer zurückgeblieben war.
Langsam ließ sie ihre Hand sinken und schaute zu Lenno hinüber. Er blickte nachdenklich und ernst aus dem Fenster. Seinen Ellenbogen hatte er gegen die Tür gestützt und klopfte gleichmäßig mit dem Zeigefinger gegen seine
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