Etenya Saga - Band 1: Soyala - Zeit der Wintersonnenwende (German Edition)
vorhatte, seine Frage zu beantworten und zog dabei verächtlich eine Augenbraue in die Höhe.
„Du weißt nicht, dass du nach ihm stinkst, nicht wahr?“, fragte er gehässig auf seine brutale Art und brachte sie damit kurzzeitig aus dem Konzept.
Was sagte er da? Wieso sollte sie nach diesem Tocho riechen?
Sein höhnisches Lachen entfachte daraufhin aufs Neue diese Hitze und Wut in ihr. Ihre Oberlippe hob sich instinktiv und sie fletschte ihre Zähne.
Beide hielten inne.
Was tat sie denn da?
Für den Bruchteil einer Sekunde huschte Verwunderung über Olivias Gesicht. Auch Bidziil schien kurz von ihrer Reaktion irritiert zu sein. Mit einem ernsten Gesichtsausdruck legte er seinen Kopf in einer befremdlichen Bewegung zur Seite, als würde er sich dieselbe Frage stellen. Sein Blick bohrte sich in ihre Augen, die erneut zu brennen begannen. Die Hitze in ihr wütete weiter und auf unerklärliche Weise ging sie innerlich in Lauerstellung, nahm Anlauf und sprang zum Angriff auf ihn zu.
Schneller, als ihr bewusst wurde, was sie tat, trat Olivia kräftig nach ihm und es war ihr vollkommen egal, ob oder was sie traf. Sie versuchte ihm ins Gesicht zu boxen, ihn zu kratzen und zu kneifen.
Bidziil brauchte jedoch nur einen Schritt zurückzutreten, um aus ihrem Aktionsradius zu verschwinden. Überlegen streckte er seinen Arm aus, als hätte ihr Körper überhaupt kein Gewicht, und hielt sie wie ein räudiges Kätzchen auf Abstand. Dabei weidete er sich augenscheinlich an ihrem jämmerlichen Anblick, den sie mit ihrem verzweifelten Versuch bot, sich ihm ohne die geringste Chance zu widersetzen. Allerdings lag in seinem Blick eine Spur Anerkennung und ein wenig Faszination.
„Sieh mal einer an. Das ist interessant. Eine kleine Kämpferin hat sich Tocho da angelacht. Kein Wunder, dass er sie uns beim letzten Mal nicht zum Spielen überlassen wollte“, sagte er leicht amüsiert an seine Begleiter gewandt.
Lenno war also dieser Tocho!
Bidziil und einer der anderen lachten boshaft. Der Dritte von ihnen sondierte indessen die Gegend und rief plötzlich: „Beeil dich, wir sollten verschwinden!“
Bidziils Gesicht versteinerte und kam ihrem bedrohlich nahe. „Wenn du mich angelogen hast, dann werde ich wiederkommen und dich holen“, hauchte er und sie versuchte, ihrem Brechreiz nicht nachzugeben. Wütend funkelte Olivia ihn an, drehte ihren Kopf zur Seite und schlug ihre Zähne ohne Skrupel so tief in sein Handgelenk, bis sie sein Blut schmeckte.
Bidziil blieb völlig unbeeindruckt von ihrer Attacke. „Du bist die Kleine, die neben ihm im Haus wohnt, nicht wahr?“
Olivia schnappte vor Schreck nach Luft. Er hatte sie also doch wiedererkannt. Lenno hatte ihn unterschätzt.
Die gleiche Wucht, mit der sie diese Erkenntnis traf, ließ die Energie erlöschen, die in ihr aufgeflammt war, um sich gegen seine Übermacht zu wehren. Auch Bidziil bemerkte es und ihre Reaktion verschaffte ihm noch mehr Genugtuung. Mit einem geringschätzigen Blick ließ er sie einfach wie ein langweilig gewordenes Spielzeug fallen und verschwand mit den beiden anderen Männern im Getümmel der Hauptstraße.
Als Olivia auf ihre Füße fiel, glaubte sie zunächst, erleichtert durchatmen zu können, weil sie es überstanden und Bidziil sie endlich freigelassen hatte. Doch sie konnte nicht mehr ausatmen. Die Beine sackten unter ihr zusammen und sie knickte zur Seite weg. Hilflos rutschte sie an der Wand entlang auf den Boden und blieb einfach liegen. Ihr leerer Blick verschwamm.
Eisige Kälte kroch unbarmherzig nicht nur von außen in ihren Körper. Auch aus ihrem Inneren heraus schien sie sich auszubreiten und ließ Olivia tief in sich erzittern, nahm sie vollkommen ein und machte sie bewegungslos. So fühlte es sich also an, wenn man wusste, dass man stirbt!
Ihr Versuch, sich gegen Bidziil zu behaupten, hatte ihr die gesamte Energie geraubt. Jetzt gab sie auf.
Reflexartig zog sie ihre Beine an den Körper, während ihre Lippen lautlos Lennos Warnung modellierten.
Bleib stehen und sag kein Wort!
Genauso wie bei ihrer ersten Begegnung mit Bidziil, hatte Olivia das Gefühl, als trennte sich ihr Geist von ihrem Körper und als stünde sie wie eine Fremde auf der anderen Seite der Straße. Unbeteiligt beobachtete sie aus der Distanz, wie nach und nach der feine Schnee ihren Körper bedeckte, bis sie beinahe in der Umgebung verschwand.
***
Eine Melodie.
Svens Lieblingslied.
Ihr Handy.
Sein Klingelton.
Olivia blieb bewegungslos liegen.
Die
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