Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod
vermitteln. Dabei sind jedoch Abhängigkeiten und Vermischungen zu vermeiden. Verbandsfunktionäre, die auch im parlamentarischen Mandat ihre Funktionärstätigkeit beibehalten, oder Mandatsträger, die Beraterverträge mit Verbänden oder Unternehmen abschließen, wecken Zweifel an ihrer Unabhängigkeit. Nicht nur Transparenz im Blick auf derartige Verflechtungen, sondern vor allem eine klare berufsethische Orientierung ist in solchen Fragen unerlässlich. Jede Form von Bestechung und Bestechlichkeit zerstört das Vertrauen in die Inhaber politischer Ämter.
Politische Verantwortung schließt die Bereitschaft ein, um des Gemeinwohls willen unbequeme Entscheidungen zu treffen. Die Gründe dafür öffentlich zu kommunizieren, um Zustimmung für den eingeschlagenen Weg zu werben, ist ein Kernstück politischer Kommunikation. Zur Gewissenhaftigkeit in der Politik gehört es, zu solchen Entscheidungen auch dann bereit zu sein, wenn sie die Chance, wiedergewählt zu werden, beeinträchtigen.
Die repräsentative Demokratie hat Politik zum Beruf gemacht. Die ethische Dimension dieses Berufs, so hat Max Weber 1919 dargelegt, kann nicht nur darin bestehen, in politischen Entscheidungen die eigenen Gesinnungen möglichst rein darzustellen. Sie muss zugleich darin zum Ausdruck kommen, dass politische Amtsträger sich der Verantwortung für die voraussehbaren Folgen ihres Handelns bewusst sind. Insbesondere dürfen sie nicht davor zurückscheuen, sich den großen Herausforderungen ihrer Zeit zu stellen. Mit dieser Entgegensetzung von Gesinnungsethik und Verantwortungsethik hat Max Weber Schule gemacht. Er war jedoch selbst keineswegs der Meinung, dass beide einander ausschließen müssten. Überzeugungstreue und Verantwortung für die Folgen des eigenen Handelns können sich durchaus miteinander verbinden (Weber 1994: 86f.). Aus ethischer Perspektive ist genau diese Verbindung anzustreben.
Im Übergang zur repräsentativen Demokratie war der «Berufspolitiker» ein neues Phänomen, das Aufmerksamkeit auf sich zog. In einer Zeit, die durch Tendenzen zur «Postdemokratie» geprägt ist, ist eine weitergehende Überlegung nötig. Der «Beruf zur Politik» beschränkt sich nicht auf politische Mandatsträger, vielmehr verbindet er Repräsentantenund Repräsentierte, Regierende und Regierte miteinander. In der Demokratie haben nicht nur Mandatsträger und Regierungsmitglieder den Beruf zur Politik. An ihm haben alle Bürgerinnen und Bürger Anteil (EKD 1985: 22ff.).
Politische Ethik als Institutionsethik
Am wichtigsten für die Vereinbarkeit von Macht und Moral ist die institutionsethische Dimension. Für die demokratische Staatsform spricht dabei zuallererst deren ethische Selbstbeschränkung. Ein freiheitlicher und demokratischer Rechtsstaat beansprucht nicht, über die Moralität seiner Bürgerinnen und Bürger zu verfügen. Zwar ist diese für ihn nicht gleichgültig, aber er muss sich darauf verlassen, dass sie aus anderen Quellen entsteht als aus staatlichen Vorschriften. Der staatliche Zwang kann Bürgerinnen und Bürger nur zu legalem Verhalten nötigen, ihre Moralität aber muss davon unterschieden werden (vgl. Kant 1797/1798: AB13ff.). Wenn der Staat dennoch darauf angewiesen ist, dass seine Bürgerinnen und Bürger nicht nur aus Legalität, sondern auch aus Moralität handeln, stützt er sich auf Voraussetzungen, die er nicht selbst hervorbringen kann. Darin liegt nach einer berühmten Feststellung des Verfassungsrechtlers Ernst-Wolfgang Böckenförde ein entscheidendes Kennzeichen der säkularen Ordnung von Recht und Staat (Böckenförde 1991: 110ff.). Durch die Unterscheidung von Legalität und Moralität ist der Staat allerdings nicht daran gehindert, Institutionen, die eine Zuständigkeit für moralische Bildung haben, in ihrem Wirken zu fördern.
Dass der Staat die ethischen Überzeugungen seiner Bürgerinnen und Bürger zwar in Anspruch nimmt, nicht aber über sie verfügt, ist für ein pluralistisches Gemeinwesen von entscheidender Bedeutung. Pluralität schließt eine Vielfalt von Lebensstilen und Überzeugungen ein. Ein pluralitätsfähiger Staat muss deshalb dem Recht auf Differenz einen hohen Rang einräumen. In der Religionsfreiheit hat dieses Recht seinen Ursprung. Mit guten Gründen wird ihr für die Entstehung und Entwicklung der modernen Menschenrechte ein zentraler Rang zuerkannt (vgl. Huber, Gerechtigkeit 2006: 270ff., 304ff.).
Die modernen Menschenrechte entwickelten sich zwar nicht ausschließlich
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