Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod
Internet, sondern auch um die Fähigkeit, es zu nutzen. Den Abstand in beiden Hinsichten zu verringern und zugleich zur verantwortlichen Nutzung der Medien anzuleiten, wird zu einem zentralen Bestandteil von Sozial- und Bildungspolitik. Eine flächendeckende Breitbandversorgung und der Internetzugang für alle sind hochrangige Infrastrukturprojekte. Informationsgerechtigkeit wird zu einem wichtigen Aspekt der sozialen Gerechtigkeit.
– Eine Spannung zeigt sich ferner zwischen dem wirtschaftlichen Interesse an der Maximierung des Gewinns und dem Recht auf ungehinderten Informationszugang. Es muss kritisch geprüft werden, ob gewinnorientierte Medienunternehmen dem Recht auf informationelle Grundversorgung Genüge tun. Gefährdet ist dieses Recht auch dort, wo sich Medienunternehmen unter politischer Kontrolle befinden und die Weitergabe von Informationen dem jeweiligen politischen Interesse unterworfen wird. Als mögliches, wenn auch nur provisorisches Gegengewicht hat sich in solchen Fällen die individuelle Nutzung des Internet erwiesen, durch das politisch unterdrückte Informationen zugänglich gemacht werden. Gesichert wird das Recht auf informationelle Grundversorgung allerdings nur dort, wo die politische Unabhängigkeit der Medien gewährleistet und die Informationspflicht der Medienunternehmen gesichert ist.
– Schließlich ist die Diskrepanz zwischen den neuen Medien und der kulturellen Vielfalt zu nennen. Bereits im Jahr 2003 wies der damalige Generalsekretär der Vereinten Nationen Kofi Annan darauf hin, dass das Internet regionalen Stimmen und Sichtweisen nicht genügend Raum biete; die meisten Inhalte seien auf Englisch abgefasst. Die Verdrängung lokaler und regionaler Kulturen durch eine globaleCyberkultur ist mit der kulturellen Verantwortung der neuen Medien unvereinbar. Wenn Menschenwürde sich heute vorrangig als Würde der Verschiedenen konkretisiert (vgl. oben S. 125 sowie Kapitel 16), muss sich dies auch in den Inhalten des Internet zeigen. Das Netz muss sich als ein Ort kultureller Vielfalt erweisen, wenn es der Pluralität der Lebenswelten gerecht werden soll.
11. Arbeit
Leben wir, um zu arbeiten?
Im November 2011 veröffentlichte die Nationale Planungskommission Südafrikas ein Konzept dafür, wie das Land sich bis zum Jahr 2030 entwickeln solle. Die Kommission konstatierte, dass schwarze Kinder und Jugendliche im südafrikanischen Bildungssystem unzureichend gefördert werden. Damit der Kommissionsbericht möglichst viele Menschen erreichte, wurden dessen Aussagen in einer einfachen Internet-Darstellung anhand der Lebensgeschichte einer jungen Frau namens Thandi veranschaulicht.
Thandi gehört zu den lediglich 25 Prozent eines Jahrgangs von schwarzen Schülerinnen und Schülern, deren Schulabschluss ihnen den Zugang zu einer College- oder Universitätsausbildung eröffnet. Da sie aus einer armen Familie stammt und ein Mädchen ist, bleibt ihr dieser Weg versperrt. Sie muss direkt nach dem Schulabschluss eine Arbeit suchen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Wenn sie wie viele ihrer Altersgenossinnen in einem Haushalt oder in der Gastronomie arbeitet, werden allein die Kosten für den täglichen Weg zur Arbeit einen großen Teil ihres Lohns aufzehren; der verbleibende Rest kann leicht unterhalb der Armutsgrenze liegen. Thandi wird es sehr schwer haben, aus diesem Teufelskreis herauszukommen.
Youth at Risk
Thandis Beispiel ist nicht nur für die Situation in Südafrika charakteristisch, sondern gilt international. Bildung ist ein Schlüssel zur Teilhabe an der Gesellschaft, aber nur wenn ein zureichendes Maß an Gerechtigkeitherrscht, wird Bildung fruchtbar. Die soziale Herkunft wirkt sich auf die Bildungsabschlüsse aus, doch die Chancen am Arbeitsmarkt hängen von zusätzlichen Faktoren ab. Der Übergang von der Schule zur Ausbildung und dann noch einmal von der Ausbildung in den Beruf ist für Jugendliche oft problematisch und riskant; man spricht von
youth at risk
. Für viele von ihnen ist es ungewiss, ob der Schulabschluss gelingt und den Zugang zu einer aussichtsreichen Ausbildung ermöglicht, ob die richtige Ausbildung gewählt und dadurch der Weg zu einer beruflichen Tätigkeit eröffnet wird. In dieser Lebensphase resignieren viele Jugendliche und steigen aus; manche liefern sich rechtsextremen Ideologien aus oder entwickeln eine Haltung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (vgl. Heitmeyer 2002–2011).
Auch in wohlhabenden Ländern ist es nicht mehr
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