Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod
bewahren» (1. Mose 2,15) ist der Sinn menschlicher Tätigkeit. Die Erschaffung des Menschen zum Ebenbild Gottes verbindet sich mit einem Auftrag zur verantwortlichen Herrschaft über die Mitgeschöpfe: «Macht euch die Erde untertan.» (1. Mose 1,27f.) Der durch den Sündenfall verursachte Fluch liegt auf den Bedingungen, unter denen die Arbeit ausgeübt werden muss: «Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen.» (1. Mose 3,19) Auf der Arbeit selbst ruht weiterhin Segen; sie zeichnet einen Menschen aus, von dem die biblische Überlieferung sagt: «Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott.» (Psalm 8,5ff.)
Die frühen christlichen Gemeinden schlossen aus der Verschiedenartigkeit menschlicher Tätigkeiten nicht, wie die vorchristliche Antike, auf eine unterschiedliche Stellung der Menschen. Vielmehr gingen sie von einer grundsätzlichen Gleichheit der Menschen aus. Diese Egalität in die gesellschaftliche Wirklichkeit umzusetzen überstieg freilich die Möglichkeiten einer christlichen Minderheit in heidnischer Umwelt. Deshalb konnte sich die Vorstellung von radikaler Egalität durchaus mit der Aufforderung verbinden, man solle in dem Stand bleiben, in den man berufen sei (1. Korinther 7,20).
Zum biblischen Grundverständnis von Arbeit gehört schließlich das komplementäre Verhältnis von Arbeit und Ruhe, von Arbeit und Gebet. Nach alttestamentlicher Vorstellung mündet die Schöpfungsarbeit Gottes in die Ruhe des siebten Tages; dem entsprechend hat auch die menschliche Arbeit in der Sabbatruhe ihr Ziel. Das Sabbatgebot schafft den Spielraum für gemeinsame Tätigkeiten jenseits der Sorge um das tägliche Brot. Die Heiligung des Sonntags als des Tages der Auferstehung Christi tritt im christlichen Denken hinzu. Menschliche Arbeit rückt dadurch unter das Vorzeichen, dass das Gottesverhältnis der Menschenin Christus erneuert ist und die Welt ihrer Neuschöpfung in der Herrlichkeit Gottes entgegengeht.
Daraus erklärt sich das Arbeitsideal, das vor allem in der mönchischen Bewegung entwickelt, in der Regel Benedikts formuliert und in den mittelalterlichen Reformbewegungen wieder aufgegriffen wird. Dieses Ideal lässt die Arbeit aus dem Gebet hervorgehen – so wie die Arbeitswoche auf den Tag des Gottesdienstes folgt. Zugleich gewinnt die Unterscheidung zwischen dem tätigen und dem betrachtenden Leben, der
vita activa
und der
vita contemplativa
, eine neue Bedeutung. «Die
vita contemplativa
ist einfach besser als die
vita activa»
liest man beispielsweise bei Thomas von Aquin (Summa Theologiae II–II, q.182, art.1.2.). Das so begründete hierarchische Gefüge der Gesellschaft schließt jedoch nicht aus, dass im späten Mittelalter vor allem in den Städten die handwerkliche Arbeit und die Tätigkeit des Kaufmanns hoch bewertet werden. Darin bereitet die spätmittelalterliche Stadtkultur den Boden für die reformatorische Neubewertung menschlicher Arbeit.
Die Geschichte des Wortes «Beruf»
Diese Neubewertung verbindet sich mit dem Begriff des Berufs. Martin Luther entwickelte sein Berufsverständnis aus der Kritik der Mönchsgelübde (
De votis monasticis
, 1521). Die Vorstellung, einem bestimmten Stand sei ein sicherer Weg zur Seligkeit verheißen, vertrug sich nicht mit den Grundeinsichten der reformatorischen Rechtfertigungslehre (Wolf 1965: 11. 14), denn die unterschiedlichen menschlichen Tätigkeiten begründen keine Verdienste im Blick auf das Heil des Menschen. Vielmehr ist jede menschliche Arbeit Gottesdienst als Dienst am Nächsten. Alle weltliche Tätigkeit kann so ausgeübt werden, dass sie der Berufung durch Gott zum guten Werk am Mitmenschen entspricht.
Schon das Mittelalter hatte zwischen geistlicher und äußerer Berufung unterschieden. Eine geistliche Berufung
(vocatio interna oder spiritualis)
hatte es nur den Geistlichen zugesprochen und dem weltlichen Stand nur eine äußere Berufung
(vocatio externa)
zuerkannt. Luther dagegen band die äußere Berufung jedes Menschen an die Berufung zum Glauben und damit an das Priestertum aller Glaubenden. Jeder Christenmensch hat deshalb einen doppelten Beruf, den Beruf zum Glaubenund den Beruf zum Dienst am Nächsten: «Wenn du eine geringe Hausmagd fragst, warum sie die Schüssel wasche oder die Kühe melke, so kann sie sagen: Ich weiß, dass, was ich tue, Gott gefällt, sintemal ich Gottes Wort und Befehl habe.» (Luther, Weimarer Ausgabe 12: 337) In allen Ständen und Tätigkeiten erreicht derselbe göttliche Ruf zur Liebe die
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