Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod
wichtig wie die Tugend des Maßhaltens ist es, auf Qualität zu achten. Dabei geht es nicht um absolute, unverrückbare Maßstäbe für alle; subjektive Vorlieben haben in solchen Fragen ihr eigenes Recht. Doch wer Erziehungsverantwortung trägt, kann der Frage nach der Qualität dessen, was Kinder und Jugendliche in sich aufnehmen, nicht ausweichen. Darüber hinaus behält jeder ein Leben lang Verantwortung für die Qualität der Medien, mit denen er sich beschäftigt und die er anderen empfiehlt. Die Maßstäbe dafür entwickeln sich am ehesten durch Kommunikation. Im Austausch mit anderen betrachtet man auch neue Informationen nicht nur unter dem Gesichtspunkt, ob sie die eigenen (Vor-)Urteile stabilisieren, sondern entwickelt die Bereitschaft, bisherige Einschätzungen zu überprüfen. Cass R. Sunstein warnt vor der Gefahr, sich in einem Informations-Cocon einzuspinnen, und rät dazu, sich neues Wissen in kollektiv-arbeitsteiliger statt in individuell-überlastender Weise anzueignen. Wenn man die eigenen Prioritäten mit denen anderer vergleicht, fällt es leichter, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden (Sunstein 2009). Dieser Rat läuft auf eine diskursive Prüfung von Informationen und Urteilen hinaus. Das leuchtet ein; nur fehlt es manchmal an der dafür nötigen Zeit.
Zur Verantwortung für die Qualität der Medien gehört nicht nur die Verständigung in einem überschaubaren Kreis, sondern auch der öffentliche Protest. Gewaltdarstellungen zu den – auch für Kinder – «besten» Sendezeiten dürfen nicht unwidersprochen bleiben. Über das Ausmaß an «Body Horror» in Fernsehen und Internet muss öffentlich gestritten werden.
In der Regel treten nur Minderheiten für Qualitätsstandards in den Medien ein, doch auch sie können zu einer allgemeinen Veränderung beitragen. Die Digitalisierung bietet durch die größere Programmvielfalt Chancen dafür. Oft allerdings führt die Konkurrenz um das Publikumsinteresse zu einer weitgehenden Uniformität der Programme. Es wäre jedoch illusorisch, einfach eine generelle Steigerung des Niveaus zu fordern; realistischer ist es, auf eine Differenzierung der Angebote zu setzen.
Medienethik als Institutionsethik
Zum Schluss wendet sich die ethische Überlegung noch einmal der Anbieterseite zu – doch nun nicht unter dem Gesichtspunkt der individuellen Verantwortung der Journalisten, sondern der institutionellen Vorkehrungen für eine ausreichende Angebotsvielfalt. Eine Wiederbelebung der journalistischen Ethik allein würde auch deshalb ins Leere laufen, weil die Grenzen des journalistischen Berufs verschwimmen; weit unbestimmter spricht man heute von «Medienmachern». Sie sind in vielen Fällen nicht mehr als Personen zu identifizieren, sondern verbergen sich hinter der Anonymität von «Providern».
In der institutionellen Struktur des Medienangebots sind erhebliche Spannungen enthalten, die nur im Zusammenwirken von Medienwirtschaft und Politik angegangen werden können. Klare rechtliche Rahmenbedingungen sind dafür unerlässlich; das lässt sich am Internet exemplarisch verdeutlichen (vgl. Hausmanninger/Capurro 2002: 13ff., v.a. 35).
– Grundlegend ist die Spannung zwischen der Freiheit der Kommunikation und dem Schutz der Privatsphäre. Gerade weil das Internet Individual- und Massenkommunikation miteinander verbindet, ist die Gefahr besonders groß, dass Informationen über die Privatsphäre öffentlich zugänglich gemacht werden. Auch im Internet muss das Recht auf informationelle Selbstbestimmung anerkannt werden.
– Ein ähnlicher Konflikt entsteht zwischen dem Warencharakter von Medieninhalten und dem Recht auf geistiges Eigentum. Bei der weltweiten Verbreitung von Medienprodukten verschwimmen Urheberrechte. Dem Schutz des geistigen Eigentums muss mit geeigneten Mitteln Anerkennung verschafft werden.
– Die weltweite soziale Zerklüftung mit ihrem wachsenden Abstand zwischen Reichen und Armen zeigt sich auch im Zugang zu den Medien. Trotz deren zunehmender Verbreitung besteht nach wie vor ein Gegensatz zwischen Informationsreichen und Informationsarmen. Die «digitale Kluft»
(digital divide)
bezieht sich zunächst auf den Zugang zum Internet. Er ist ein besonders deutlicher Indikator für die weltweiten sozialen Gegensätze: Auf dem afrikanischen Kontinent hat nur eine kleine Minderheit der Menschen einen Internetzugang, während es in Europa die überwältigende Mehrheit ist. Doch bei der digitalen Kluft geht es nicht nur um den Zugang zum
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