Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod
Menschen.
Der Begriff des Berufs bezeichnet also das alle Tätigkeiten Verbindende, die Einheit von Gottesdienst und Dienst am Nächsten. Dass mit dem Begriff des Berufs die auf ein begrenztes Feld bezogene, in aller Regel als Erwerbsarbeit ausgeübte Spezialistentätigkeit gemeint ist, tritt dagegen noch nicht in den Blick. Erst seit dem Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert bezeichnet das Wort Beruf die unterschiedlichen Erwerbstätigkeiten, die verschiedenartige Qualifikationen voraussetzen und in der Regel mit einem entsprechenden Erwerbseinkommen verbunden sind. Nun erst werden diese Tätigkeiten in Berufsstatistiken ausgewiesen. Als Berufe werden seitdem die unterschiedlichen Erwerbstätigkeiten bezeichnet.
Aber auch in dieser Verwendungsweise verbindet das Wort Beruf die unterschiedlichen Tätigkeiten mit einem spezifischen Sinn. Vor allem wird die Identifikation mit einer Aufgabe vorausgesetzt, wie die Unterscheidung zwischen «Beruf» und «Job» zeigt. In ihrer Vielfalt sind die Berufe durch die Hingabe an die Sache und den Sinn der jeweiligen Tätigkeit miteinander verbunden.
In seinem ursprünglichen Verständnis ist der Begriff des Berufs nicht auf entlohnte Tätigkeiten beschränkt; nicht nur die Erwerbsarbeit, sondern auch Freiwilligenarbeit und demokratisches Engagement oder der Einsatz in Familie und Nachbarschaft können als Beruf bezeichnet werden. Gerade aus der Geschichte des Worts Beruf lässt sich die Gleichberechtigung dieser unterschiedlichen Tätigkeiten verständlich machen. Vom Beruf in diesem weiten Sinn ist dort zu sprechen, wo Menschen für einen bestimmten Bereich nicht nur eine äußere Zuständigkeit, sondern auch eine innere Verantwortung wahrnehmen. Zum Beruf gehört, dass die Erfüllung spezialisierter Aufgaben sich mit der Berücksichtigung eines größeren Lebenszusammenhangs verbindet. Von den großen, für den Zusammenhalt einer Gesellschaft zentralen Themen gilt insgesamt, dass sie nicht allein in die Verantwortung derjenigen fallen, die durch ihre Erwerbstätigkeit dafür zuständig sind. Das protestantische Arbeitsethosweckt von seinem Ursprung her Verständnis für den Beruf zur Politik, der Regierende und Regierte miteinander verbindet (vgl. EKD 1985), oder für den Beruf zum Recht, an dem die Rechtsbürger genauso Anteil haben wie die Berufe der Rechtspflege (vgl. Huber 2000).
Erfolgreiche Arbeit als Zeichen der Erwählung durch Gott
Die Schweizer Reformation steht in der Hochschätzung der Arbeit Luther sehr nahe. Huldrych Zwingli berief sich für diese Hochschätzung auf Grundmotive der christlichen Tradition: Arbeit ist notwendig, wehrt der Faulheit, entspricht der schöpferischen Aktivität Gottes und beruht auf Gottes Segen. Johannes Calvin ordnete auch die Arbeit dem Leitsatz unter, der seine ganze Theologie bestimmt:
Soli deo gloria
– allein Gott die Ehre. Mit seinem ganzen Leben antwortet der Christ auf die göttliche Erwählung. Damit bereitete Calvin die Frage vor, ob der Erfolg in der Arbeit als Zeichen für diese Erwählung zu verstehen ist. Er selbst rang sich zu einer solchen Aussage noch nicht durch. Erst bei Calvins Nachfolgern wurde der Erfolg der Arbeit als zuverlässiges Zeichen gewertet, von Gott persönlich erwählt zu sein. Im englischen Puritanismus entwickelte sich daraus eine wichtige Begründung für die Hochschätzung der Arbeit. Einer berühmten These des Soziologen Max Weber zufolge wurde dadurch das neuzeitliche Arbeitsethos, die Entwicklung zur Leistungsgesellschaft, ja der kapitalistische Geist insgesamt beeinflusst (Weber 2010).
Mit der Hoffnung, dass der Erfolg im irdischen Leben über die Stellung vor Gott Auskunft gibt, ist nicht gemeint, dass die persönlichen Leistungen die Anerkennung durch Gott zur Folge haben; es handelt sich nicht um eine Rückkehr zur Werkgerechtigkeit. Aber die quälende Ungewissheit soll überwunden werden, die sich aus der calvinistischen Lehre von der doppelten Prädestination – zum Heil oder zum Unheil – ergibt. «Nur wer durch die Art seiner Lebensführung Ergebnisse zutage fördert, die zur Verherrlichung Gottes beitragen, kann erkennen, ob er erwählt ist.» (Drehsen 2009: 79)
Deshalb wird das innerweltliche Handeln so angelegt, dass dessen Früchte kalkulierbar werden; doch diese Früchte kommen nicht dem persönlichen Genuss zugute, sondern werden erneut produktiv eingesetzt.Rationale Kontrolle der Welt, innerweltliche Askese und Bewährung im Beruf werden zu wichtigen Kennzeichen des
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