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Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Titel: Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Huber
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inzwischen gefragt, ob sie diese Grundsätze vergessen haben (Mahbubani 2012).
    Initiativen, an die Stärken der Sozialen Marktwirtschaft anzuknüpfen und sie weiterzuentwickeln, sind in Gang gekommen. Dabei wird auch das Verhältnis zwischen Markt und Moral wieder zum Thema.
Corporate social responsibility
wird sogar zu einem Thema der internationalen Normungsdebatte (Deutsches Institut für Normung 2011). Als Grundsätze der gesellschaftlichen Verantwortung von Organisationen werden hervorgehoben: Rechenschaftspflicht, Transparenz, ethisches Verhalten, Berücksichtigung der Interessen verschiedener Anspruchsgruppen, Achtung der Rechtsstaatlichkeit, der internationalen Verhaltensstandards sowie der Menschenrechte. Vergleichbare Initiativen entwickeln sich in einzelnen Branchen. Solche Klärungsprozesse thematisieren insbesondere die Nachhaltigkeit wirtschaftlichen Handelns, die Integrität von Führungskräften, die Einbeziehung aller
stakeholder
, die Fairness und Transparenz von Geschäftspraktiken und schließlich die Berücksichtigung gesellschaftlicher Anliegen und Verpflichtungen.
    Vertrauen wird nicht durch Reden gewonnen, das um Vertrauen wirbt, sondern durch Handeln, das Vertrauen verdient. Aber öffentlich wahrnehmbare Selbstverpflichtungen haben dafür eine erhebliche Bedeutung. Ein Beispiel für eine derartige Selbstverpflichtung bildet das «Leitbild für verantwortliches Handeln in der Wirtschaft», das 2010 aufInitiative des Wittenberg-Zentrums für globale Ethik formuliert und von einer erheblichen Zahl von Wirtschaftsführern unterzeichnet wurde (Wittenberg-Zentrum für globale Ethik 2010).
Ethische Maßstäbe und die Dynamik des Finanzkapitalismus
    Allgemeinen Maximen der Wirtschaftsethik wird der Einwand entgegengehalten, dass wohlmeinende ethische Vorschläge von der Dynamik des Finanzkapitalismus niedergewalzt werden. Mikroelektronik und Digitalisierung haben die Welt dramatisch verändert. Ungeahnte Kapazitäten zur Verarbeitung und Weiterleitung von Daten traten in den Dienst einer globalen Ökonomie. Sie orientierte sich stärker an den finanzmathematischen Risikomodellen von Rating-Agenturen als an der von Erfahrung geleiteten menschlichen Urteilsfähigkeit. Die Möglichkeiten, durch Risikobereitschaft hohe Gewinne zu erzielen, haben sich auf diesem Wege vervielfacht. In der Zukunft erwartete Preisveränderungen von Rohstoffen oder Devisen werden in Gewinnmargen umgesetzt, Schulden werden in Wertpapiere umgewandelt und meistbietend verkauft. Man kann auch auf Kursverluste von Aktien spekulieren oder an der drohenden Insolvenz von Staaten verdienen.
    Innerhalb weniger Jahrzehnte ist der Handel mit derartigen Finanzderivaten zum weltweit größten Markt überhaupt angewachsen. Er umfasst heute ein Vielfaches des Handels mit Verbrauchsgütern auf dem Globus. Preise beziehen sich nicht mehr auf Waren und Dienstleistungen, sondern wieder auf Preise: «Hier werden gegenwärtige Preise für Nichtvorhandenes nach der Erwartung künftiger Preise für Nichtvorhandenes bemessen. Hier werden Preise mit Preisen bezahlt. Die Preise sind … von der Bindung an materielle Lasten und Beschwernisse befreit und rechtfertigen den Titel eines selbstreferentiellen Marktgeschehens.» (Vogl 2010: 94)
    Von den Finanzmärkten gehen riesige Chancen für eine wohlhabende Minderheit aus; vor allem aber erzeugen sie gewaltige Gefahren für alle. Das hat sich in der Finanzmarktkrise der Jahre 2007 bis 2009 ebenso gezeigt wie in der an sie anschließenden Staatsschuldenkrise.
    Die Glücksverheißungen des virtuellen Geldes kollidieren mit der gegenläufigen Realität von Hunger, Armut und Ungleichheit. Ein globalisierterReichtum kontrastiert mit der Tatsache, dass fast vierzig Prozent der Menschheit noch immer mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen müssen und dass nahezu eine Milliarde Menschen hungern. Diese Entwicklung zeigt: «Der individuelle Eigennutz … kann isoliert zum zerstörerischen Egoismus verkommen. Über die politische und wirtschaftliche Rahmensetzung hinaus ist es eine kulturelle Aufgabe, dem Eigennutz eine gemeinwohlverträgliche Gestalt zu geben. Die Balance zwischen persönlichem Wohlergehen und sozialer und ökologischer Verantwortung geht jeden an.» (EKD, Riss 2009: 8)
    Zerstört wurde die Verbindung des Eigennutzes mit dem Gemeinwohl vor allem durch die Entkoppelung von Risiko und Haftung; damit wurde ein Grundprinzip jeder Freiheitsordnung außer Kraft gesetzt, nämlich das Prinzip

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