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Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Titel: Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Huber
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behalten bleibt auch in Zukunft eine ihrer wichtigsten Aufgaben.
Forschung und Freiheit
    Schon in der Renaissance etablierte sich die Reflexion auf das Ethos des Forschens als Diskurs in der Gelehrtenrepublik. Die Wissenschaftsethik ist insofern ein integraler Bestandteil jeder Wissenschaftstheorie. Dies bedeutet nicht, dass andere Teile der Öffentlichkeit sich aus dieser Frage heraushalten müssten. Aber die Wissenschaft hat sich mit dieser Frage auch dann zu befassen, wenn sie nicht von außen an sie herangetragen wird. Aus diesem Selbstverständnis heraus hat sich im 20. Jahrhundert eine Theorie der Wissenschaft entwickelt, die an der Wahrheitserkenntnis um ihrer selbst willen ausgerichtet ist. In diese Tradition stellte sich noch Max Weber, als er im Jahr 1917 «Wissenschaft als Beruf» beschrieb. Intellektuelle Rechtschaffenheit war die einzige Tugend, die er im Hörsaal gelten lassen wollte (Weber 1994: 23). Eine möglichst weitgehende Zurückhaltung in allen Werturteilen und der Verzicht auf alle politische Parteinahme waren die für ihn unausweichlichen Konsequenzen. Die Professionalität des Wissenschaftlers verband er mit einer spezifischen, jeder Profession mitgegebenen Selbstbegrenzung. Wer in der Wissenschaft seine Bestimmung sieht, so seine Überzeugung, ist auch verpflichtet, sich innerhalb der Wissenschaft zu bewegen.
    Die Wahrheitsbindung der Wissenschaft lässt sich auch durch den Hinweis auf die Vielfalt der Wahrheitstheorien nicht außer Kraft setzen, denn auch Versuche, den Wahrheitsbezug der Wissenschaft zu bestreiten, sind nur dann «ernst zu nehmen, wenn sie selbst den Anspruch auf Wahrheit erheben, also das stillschweigend voraussetzen, wogegen sie sich richten, nämlich die Idee der Wahrheit» (Küppers 2012: 49). Angesichts der offenkundig vielfältigen Zugänge zur Wahrheit mutet es freilich geradezu naiv an, wenn pauschal erklärt wird, dass nur «wissenschaftliches Wissen» eine Grundlage für wissenschaftsethische Normen bieten kann (Küppers 2012: 50). Vielmehr ist auch für die Wissenschaftsethik die «Unabhängigkeit der Moral» zu berücksichtigen, dienicht auf vermeintlich neutrale Maßstäbe der Wissenschaft oder auf empirische Befunde zurückgeführt werden kann (Dworkin 2012: 140). Deshalb haben philosophische und theologische Interpretation und Reflexion für die Wissenschaftsethik eine eigenständige Bedeutung.
    Das Ethos einer Wissenschaft, die sich der Wahrheit verpflichtet weiß, ist an die Bedingung menschlicher Freiheit gebunden. Das Ideal wissenschaftlicher Objektivität lässt sich nur aufrechterhalten, wenn der Prozess des Forschens von fremder Bestimmungsmacht freibleibt. Doch die Zusammengehörigkeit von Forschung und Freiheit wurde in der Neuzeit auch darin gesehen, dass die Fortschritte der Forschung der Entfaltung menschlicher Freiheit zugute kommen. In der Sattelzeit der Moderne, also zwischen der Mitte des 18. und des 19. Jahrhunderts (Koselleck 1972: XV), wurden Forschung und Freiheit durch den Begriff des Fortschritts miteinander verbunden. Die Freiheit des Menschen wurde als Unabhängigkeit von den Zwängen der Natur definiert; der entscheidende Maßstab für den Fortschritt der Erkenntnis wurde darin gesehen, ob er die Menschen von den «Mühseligkeiten der menschlichen Existenz befreie», wie Bertolt Brecht es in seinem «Leben des Galilei» ausdrückte (Brecht 1967: 1340).
    In dem Maß, in dem die naturwissenschaftlich fundierte Technik alle Lebensbereiche veränderte, verstärkte sich aber auch deren Eigenbedeutung. Das «naturwissenschaftliche Zeitalter», von dem der Industrielle Werner von Siemens und der Mediziner Rudolf Virchow im späten 19. Jahrhundert programmatisch sprachen (Siemens 1886; Virchow 1893), machte seine Deutungsmacht auch gegenüber der Kultur geltend: Naturerkenntnis wurde als Kulturfortschritt verstanden. Deren Förderung machte neue Formen der Forschungsorganisation nötig. Während langfristig angelegte geisteswissenschaftliche Forschungsvorhaben vor allem in wissenschaftlichen Akademien angesiedelt wurden, entstanden für die nach vorn drängenden Naturwissenschaften staatlich geförderte Forschungsinstitute sowie industrielle Forschungs- und Entwicklungsabteilungen. Das Kriterium der wirtschaftlichen Verwertbarkeit war dabei nicht nur für die industriell finanzierte, sondern auch für die staatlich unterstützte Forschung von ständig wachsender Bedeutung.
    Von der programmatischen Verknüpfung zwischen Forschung und Freiheit

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