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Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Titel: Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Huber
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individueller Verantwortung. Banken, die sich aus der Verantwortung gegenüber ihren Kunden wie gegenüber der Gesellschaft gelöst hatten, wurden als systemrelevant eingestuft und deshalb mit Hilfe von Steuergeldern gerettet.
    Die Eigendynamik, die ein verselbständigtet Turbokapitalismus angenommen hat, ist kein Gegenargument gegen das Beharren auf ethischen Maßstäben wirtschaftlichen Handelns. Sie unterstreicht vielmehr die Notwendigkeit solcher Maßstäbe. Vor allem zeigt sie die Dringlichkeit, darüber einen möglichst weitgehenden Konsens zu erreichen.
    Regulierungen der Finanzmärkte sind aus der hier vertretenen ethischen Perspektive nicht als Einschränkungen der Freiheit, sondern als Bewahrung der Freiheit anzulegen und zu verstehen, denn zur Freiheit gehört die Zusammengehörigkeit von Risiko und Haftung. Deshalb müssen die Finanzmärkte so geordnet sein, dass Einzelne nicht Risiken auslösen dürfen, für deren Folgen sie nicht selbst einstehen können. Eine ausreichende Eigenkapitaldeckung ist dafür ebenso notwendig wie das Verbot von Finanzmarktprodukten mit undurchschaubaren Risiken. Soweit die Staaten in Notsituationen mit Zwischenfinanzierungen aushelfen müssen, ist die dafür erforderliche Summe aus einer Besteuerung der Finanzmärkte selbst aufzubringen; eine Transaktionssteuer ist dafür ein naheliegender Weg. Für solche Regulierungen ist ein möglichst weitgehender internationaler Konsens anzustreben, denn sonst erweisen sie sich leicht als stumpfes Instrument, das diejenigen begünstigt, die in Ländern ohne solche Regulierungen tätig sind oder in diese Länder ausweichen.
    Zudem kommt es in diesem wie in vergleichbaren Fällen nicht nur darauf an,
dass
reguliert wird; entscheidend ist,
wie
reguliert wird. Deshalb ist eine möglichst breite und sachkundige Debatte über diese Regulierungen wünschenswert; wenn sich Finanzmarktakteure und Wissenschaftler dieser Debatte entziehen, verspielen sie, ethisch betrachtet, auch das Recht, an der Qualität der schließlich gefundenen Regeln Kritik zu üben. Doch unabhängig von einer solchen interessenpolitischen Verweigerung bleibt festzuhalten, dass nicht Regelungen als solche, sondern nur problemadäquate und wirksame Regelungen ethisch zu bejahen sind. Solche Regelungen aber sind von hoher Dringlichkeit.

13. Wissenschaft
    Dürfen wir alles, was wir können?
    1957 erklärte eine Gruppe deutscher Atomphysiker, unter ihnen Otto Hahn, Werner Heisenberg und Carl Friedrich von Weizsäcker, sie würden sich an der Entwicklung und Herstellung von Atomwaffen in Deutschland nicht beteiligen, und sie warnten vor den Gefahren eines Kriegs mit atomaren Massenvernichtungswaffen. Sie hatten als Wissenschaftler erfahren, wie ein Problem sich dramatisch verschärfte, auf das schon der schwedische Chemiker Alfred Nobel gestoßen war. Nobel hatte nicht nur das Dynamit entwickelt, sondern mit dem rauchschwachen Pulver Ballistit auch die militärische Schusstechnik revolutioniert; in bestem Glauben hatte er das mit der Annahme verbunden, starke Vernichtungswaffen würden die Menschen am wirkungsvollsten vom Krieg abhalten. Später allerdings, nachdem sein Pulver viele Menschen das Leben gekostet, ihm aber ein großes Vermögen eingetragen hatte, wurde er zum Kriegskritiker und stiftete mit seinem Reichtum die nach ihm benannten Preise, unter anderem den Friedensnobelpreis.
    Vor einem ähnlichen Problem, nun aber von noch gesteigerten Dimensionen, standen die Atomphysiker, die zum einen Teil an der Entdeckung der Uranspaltung, zum anderen an der ergebnislos abgebrochenen Entwicklung einer deutschen Vernichtungswaffe beteiligt waren. Sie hatten den ersten Einsatz von Atomwaffen in Hiroshima und Nagasaki erlebt und wussten deshalb, dass es sich um Massenvernichtungswaffen handelte. Vor deren Weiterentwicklung sowie vor ihrem drohenden Einsatz wollten sie warnen. Deshalb erklärten sie, dass sie sich an einem solchen Weg nicht beteiligen würden (Weizsäcker 1981: 29ff.).
    Diese Erklärung bildet in Deutschland den Ursprung der Rede von der Verantwortung der Wissenschaft in einem modernen Sinn. Sie gabden Anstoß zur Gründung der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler, die sich diesem Thema widmete. Die Wissenschaft, so hieß die tragende Überzeugung, ist nicht nur verantwortlich für die Objektivität ihrer Methoden und die Nachprüfbarkeit ihrer Ergebnisse; sie trägt vielmehr auch Verantwortung für die Folgen ihrer Forschungen. Die Folgenabschätzung

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