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Ethik: Grundwissen Philosophie

Ethik: Grundwissen Philosophie

Titel: Ethik: Grundwissen Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Detlef Horster
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geworden ist der Präferenzutilitarismus allerdings vor allem durch die Diskussion um den australischen Philosophen Peter Singer (*1946). In seiner Konzeption haben Präferenzen eine ähnliche Bedeutung wie bei Hare. Singer koppelt seine Form des Präferenzutilitarismus an den Begriff der Person. Dabei stützt er sich auf John Locke (1632–1704), der einen Unterschied zwischen Mensch und Person macht (vgl. Locke 1968, 427), so wie es später Niklas Luhmann treffend formulierte: »Menschen werden geboren. Personen entstehen durch Sozialisation und Erziehung.« (Luhmann 2002, 20) Locke definiert Person in folgender Weise: »Meiner Meinung nach bezeichnet dieses Wort ein denkendes, verständiges Wesen, das Vernunft und Überlegung besitzt und sich selbst als sich selbst betrachten kann. Das heißt, es erfaßt sich als dasselbe Ding, das zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten denkt. Das geschieht lediglich durch das Bewußtsein, das vom Denken untrennbar ist und, wie mir scheint, zu dessen Wesen gehört.« (Locke 1968, 419)
    Darauf bezieht sich Peter Singer, wenn er in seiner Theorie auf den lockeschen Personbegriff rekurriert. Eine Person ist für ihn »ein rationales und selbstbewußtes Wesen« (Singer 1984, 106). Und weiter: »Ein selbstbewußtes Wesen ist sich seiner selbst als einer distinkten Entität bewußt, mit der Vergangenheit und Zukunft.« (Singer 1984, 109) Nun erklärt Singer Folgendes: »Präferenz-Utilitarismus statt des klassischen Utilitarismus liegt vor, wenn wir unsere eigenen Interessen […] universalisieren, […], das heißt, wenn wir in einem plausiblen Schritt die Interessen einer Person als das nehmen, was sie, nach Abwägung aller relevanten Fakten, vorzieht. […] Für Präferenz-Utilitaristen ist das Töten einer Person in der Regel schlimmer als das Töten eines anderen Wesens, weil ein Wesen, das sich nicht selbst als eine [49] Wesenheit mit einer Zukunft sehen kann, keine Präferenz hinsichtlich seiner eigenen zukünftigen Existenz haben kann.« (Singer 1984, 112) Entscheidend ist für den Präferenzutilitaristen Peter Singer, dass eine Person Wünsche und Zukunftspläne haben kann. Eine solche Person hat den Wunsch oder die Präferenz weiterzuleben. Diese Präferenz muss gegen andere Präferenzen abgewogen werden. Sie wird sich – ähnlich wie in Hares Konzept – immer als stärker erweisen als die Präferenzen anderer Personen. Und darum ist es moralisch verwerflich, eine Person zu töten. Das, woran sich die Diskussion um Peter Singer entzündete, war die Frage, ob man Neugeborene töten dürfe. Nach seiner Definition lautet die Antwort: Ja, denn ein Neugeborenes ist noch nicht Person mit den genannten Eigenschaften, Wünsche und Zukunftspläne haben zu können. Eine solche wird es erst im Verlauf des ersten Lebensjahres. (Vgl. Singer 2001, 241)
Utilitarismuskritik: Bernard Williams
    Bernard Williams (1929–2003) führt drei wesentliche Kritikpunkte gegen den Utilitarismus an: 1. der Unsicherheitsfaktor bei der Folgenabschätzung, 2. die Nichtberücksichtigung der psychischen Wirkung auf den Handelnden, 3. die Nichtberücksichtigung des Gerechtigkeitsgesichtspunktes. Alle drei Defizite diskutiert er an folgendem Beispiel: Der Journalist Jim kommt auf den Marktplatz einer südamerikanischen Kleinstadt. Dort stehen zwanzig Männer an der Wand. Sie sind wegen ihres Protests gegen die Regierung festgenommen worden und sollen erschossen werden, damit andere Oppositionelle dadurch abgeschreckt werden. Der Hauptmann des Erschießungskommandos sagt Jim, dass er dann, wenn Jim einen der Männer erschießen würde, die anderen laufen lasse. Wenn Jim das nicht tue, würden alle erschossen. (Vgl. Williams 1979, 61f.) »Aus Sicht einer strikten Auslegung der utilitaristischen Theorie scheint die Antwort [50] auf dieses Beispiel klar« (Pauer-Studer 2003, 39): Schätzt man die Folgen ab, die eintreten, wenn Jim tatsächlich einen der Männer erschießt, muss man sagen, dass dieses Verhalten für das Wohlergehen der größtmöglichen Zahl sorgt. Einer stirbt, damit neunzehn andere leben können. Doch treten die Folgen wirklich ein? Hält der Hauptmann sein Wort? Das ist für einen, der so willkürlich handelt und mit Menschenleben spielt, zumindest höchst fraglich. Prognosen für die Folgen abzugeben, ist das erste von Williams angeführte Problem des Utilitarismus. (Vgl. Williams 1978, 102) Man habe nie genug Informationen, um sichere Vorhersagen zu treffen. Die Frage »Was

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