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Ethik: Grundwissen Philosophie

Ethik: Grundwissen Philosophie

Titel: Ethik: Grundwissen Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Detlef Horster
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passiert, wenn …?« kann niemals mit Sicherheit beantwortet werden. Weiterhin ist zu fragen: Welche psychischen Wirkungen hat Jims Verhalten auf ihn selbst? Kann er damit leben, dass er etwas Unrechtes getan hat, um das Glück der größten Zahl zu vermehren? Kann er noch ruhig schlafen, kann er sich am nächsten Tag noch im Spiegel anschauen? Das sind Probleme, die der Utilitarist nicht berücksichtigt. (Vgl. Williams 1979, 64f.) Der dritte Kritikpunkt ist die von Utilitaristen nicht beachtete Frage der Gerechtigkeit. Gegenüber dem Mann, der erschossen wird, ist die Tat höchst ungerecht. Er muss sterben, damit neunzehn andere leben können.

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Kontraktualismus
    Der dritte Einwand Cs gegen das Ansinnen von A, statt B bei der Steuererklärung zu helfen, lieber zum Europacupspiel zu gehen, lautet: »In unserer Gesellschaft ist man sich doch einig darüber, dass man Versprechen halten muss.« Demnach gibt es eine – wie auch immer geartete, hypothetische oder konstruierte – vertragliche Vereinbarung über moralische Regeln und deren Einhaltung. Die zwei bereits vorgestellten Theorien gehen von der Frage aus, wonach man sich beim moralischen Handeln richten soll. Der Utilitarismus sieht das Ziel des moralischen Handelns in den guten Folgen. Für die Sollensethik (Deontologie) ist moralisches Handeln dann gut, wenn man durch dieses Handeln die moralischen Pflichten unbedingt erfüllt. Beide Theorien gehen davon aus, dass es moralische Regeln gibt. Wir kennen diese Regeln, akzeptieren sie und handeln nach ihnen. Doch wie kommen diese moralischen Regeln zustande? Genau diese Frage stellen die Vertreter des Kontraktualismus, dessen Ursprünge genau wie die des Utilitarismus bis zur antiken Philosophie zurückverfolgt werden können. (Vgl. Kersting 1990, 216)
    Die wohl bedeutendste Vertragstheorie in der Geschichte der Philosophie stammt in der Neuzeit von Thomas Hobbes (1588–1679). (Vgl. ausführlicher dazu Horster 2005, 87ff.) »Er gründete die Moral auf einen virtuellen Vertrag«, den die Bürger, aus dem ungeregelten Naturzustand heraustretend, »frei miteinander geschlossen haben.« (Schmid Noerr 2006, 73) Die Staatsgründung beruht nach Hobbes »auf dem Vertrage eines jeden mit einem jeden, wie wenn ein jeder zu einem jeden sagte: ›Ich übergebe mein Recht, mich selbst zu beherrschen, diesem Menschen oder dieser Gesellschaft unter der Bedingung, daß du ebenfalls dein Recht über dich [52] ihm oder ihr abtrittst.‹« (Hobbes 1974, 155) Der allmächtige Staat, von Hobbes auch »Leviathan« genannt, ist die einzige Einrichtung, die für die Achtung und Einhaltung der natürlichen Gesetze erfolgreich Sorge tragen kann.
    Hobbes nennt neunzehn höchst uneinheitliche Gesetze, die man als Grundlage moralischer Pflichten ansehen kann, wie etwa das fünfte Gesetz, dass »jeder den anderen nützlich werde«; das sechste schreibt vor, dass jeder »Beleidigungen vergeben [muss], sobald der Beleidiger reuevoll darum bittet und er selbst für die Zukunft sicher ist«; das achte besagt, dass »niemand durch Tat, Wort, Miene oder Gebärde Verachtung oder Haß« gegen andere zeigen dürfe. (Hobbes 1974, 135ff.) Diese moralischen Regeln werden nach Hobbes vertraglich festgelegt und sind dann für alle verbindlich, die der moralischen Gemeinschaft angehören. Über ihre Einhaltung hat der Staat zu wachen. »Staat ist eine Person, deren Handlungen eine große Menge Menschen kraft der gegenseitigen Verträge eines jeden mit einem jeden als ihre eigenen ansehen, auf daß diese nach ihrem Gutdünken die Macht aller zum Frieden und zur gemeinschaftlichen Verteidigung anwende.« (Hobbes 1974, 155f.) Der Staat hat Sanktionsgewalt, die er gegen jene richtet, die die Verträge nicht einhalten. Der Staat geht im philosophischen Kontraktualismus zurück auf die einvernehmliche und gemeinsame »Schaffung einer interessensichernden und rechtsdurchsetzenden Zwangs- und Herrschaftsordnung auf der Basis des wechselseitig verpflichtenden Verzichts aller auf die natürliche Freiheit« (Kersting 1990, 233).
    David Hume, ein weiterer wichtiger Vertreter der neuzeitlichen Vertragstheorie, geht davon aus, dass die Menschen neben den je verschiedenen Interessen auch ein gemeinsames Interesse haben. Das ist die Sicherheit, sodass »jedermann in dem friedlichen Genusse dessen, was er durch Glück und Fleiß erwirbt, erhalten bleibt. Auf diese Art weiß jeder, was er sicher besitzen darf, und die Affekte werden in ihren parteiischen und einander

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