Ethik: Grundwissen Philosophie
Menschen altruistisch handeln und »Dankbarkeit, natürliche Zuneigung, Großzügigkeit, Gemeinsinn oder Mitleid« zeigen könnten. (Hutcheson 1984, 8) Dafür würden verschiedene Argumente angeführt, unter anderem, dass es unter bestimmten Umständen vernünftig sei, sich altruistisch zu verhalten. (Vgl. Hutcheson 1984, 17f.) Dagegen wendet Hutcheson ein, dass man mittels Vernunft zwar [65] erkennen könne, welche Handlungen in Übereinstimmung mit dem Gemeinwohl stünden und welche dem Eigennutz dienten. Dennoch hätten wir bereits vor einer solchen intellektuellen Erkenntnis ein Gefühl dafür, was moralisch richtig und was falsch sei. (Vgl. Hutcheson 1984, 33) Wir könnten in jeder Lebenssituation für uns selbst erproben, dass es ein moralisches Gefühl oder einen moralischen Sinn gebe, wenn wir unser »eigenes Herz zu Rate« zögen. (Hutcheson 1986, 13) Darum würden wir als »vernünftig« etwas bezeichnen, was vor einer verständigen Prüfung schon mit unserem moralischen Sinn als richtig ausgezeichnet würde. Als »unvernünftig« würde demnach gelten, was wir mit unserem moralischen Sinn als falsch und missbilligenswert bezeichneten. (Hutcheson 1984, 37f.) Wir halten mittels dieses moralischen Sinns etwas für richtig, ohne es nach naturwissenschaftlichem Vorbild begründen zu können. »Wahrscheinlich besitzen alle Menschen einen moralischen Sinn, der bewirkt, daß allgemein nützliche Handlungen und wohlwollende Neigungen dem Handelnden und jedem Beobachter angenehm sind.« (Hutcheson 1984, 28; vgl. auch 16) »Damit hat der Common Sense auch eine soziale Funktion: Die Verantwortlichkeit gegeneinander und gegenüber dem Gesetz ist von dieser Grundkomponente des kognitiven Erhellens der Um- und Mitwelt getragen.« (Hage 2007, 42) Der moralische Sinn ist für Hutcheson ein Sinnesorgan, wie Auge und Ohr, das moralische oder unmoralische Handlungen wahrnehmen kann. (Vgl. Leidhold, in: Hutcheson 1986, XLI)
Doch woher wissen wir, dass unser moralisches Gefühl uns nicht täuscht? Darauf antwortet Hutcheson, dass wir das dann wüssten, wenn wir uns unseres Gefühls bewusst würden, denn wir wüssten ja auch, dass wir uns freuen, wenn wir uns freuen. Und woher wissen wir, dass wir immer das billigen werden, was wir jetzt in diesem Moment billigen? Das wissen wir, weil der moralische Sinn etwas ist, was wir natürlicherweise haben. Er werde nicht eines Tages einfach [66] verschwinden, genauso wenig, wie die Gravitation verschwinden werde. (Hutcheson 1984, 68) Und woher wissen wir, dass alle anderen das billigen, was wir billigen? »Was das angeht, können wir nach keiner Theorie sicher sein. Aber es ist sehr wahrscheinlich, daß die Sinne aller Menschen ziemlich gleichartig sind.« (Hutcheson 1984, 69) Dass alle Menschen ein moralisches Empfinden haben, zeigt sich für Hutcheson durch einen Blick in die Geschichte und den Vergleich aller Völker miteinander. (Hutcheson 1984, 65) Insofern ist der Grund für moralisches Handeln bei Francis Hutcheson ein universales Prinzip, das allen gemeinsame moralische Gefühl.
Für Hutcheson ist dabei evident, dass die »Wahrnehmung des moralisch Guten sich nicht aus Gewohnheit, Erziehung, Beispiel oder Übung herleitet« (Hutcheson 1986, 29). Die – laut Hutcheson – irrige Auffassung, moralisches Verhalten sei ein Produkt der Erziehung, entstehe dadurch, dass Kinder sich erst später zu unterschiedlichem moralischem Verhalten äußerten. (Vgl. Hutcheson 1986, 7) Für Hutcheson ist den Menschen der »Moral Sense« vom Schöpfer gegeben worden und somit eine »Veranlagung unseres Geistes« (Hutcheson 1986, 29). Ähnlich übrigens Thomas Reid: »This inward light or sense is given by heaven.« (Reid, zit. nach Hage 2007, 42) Erst Adam Smith konstatiert, dass die Ursachen für die Ausstattung des Menschen mit moralischen Gefühlen in unserer Sozialisation und Erziehung liegen. Hierin besteht der entscheidende Unterschied zwischen Hutcheson und Smith.
Wie erfährt man, ob ein Affekt stark genug ist, sodass man sich beim moralischen Handeln auf ihn verlassen kann? Adam Smith meint durch Sympathie, und Sympathie bedeutet bei ihm das Teilen der Gefühle mit anderen und das verstandesmäßige Reflektieren darüber. (Vgl. Raphael 1991, 40) Sympathie ist für Smith »die Disposition, angesichts der Freude oder des Glücks anderer selbst Freude zu fühlen und angesichts ihres Leids oder Elends Leid zu empfinden« (Eckstein, in: Smith 1977, LXI). Nun ist nicht jedwedes Gefühl im
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