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Ethik: Grundwissen Philosophie

Ethik: Grundwissen Philosophie

Titel: Ethik: Grundwissen Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Detlef Horster
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Sympathiekonzept von Smith gemeint, [67] sondern das Gefühl angesichts einer moralischen oder unmoralischen Handlung, und das in zweierlei Hinsicht. Zum einen meint Smith das Gefühl, das jemand bezogen auf den Handelnden habe, und zum anderen das Mitgefühl, das man mit dem von der Handlung Betroffenen empfindet. Im Blick steht dabei die gesamte Situation. Für Adam Smith gilt: »Sympathie entspringt […] nicht so sehr aus dem Anblick des Affektes, als vielmehr aus dem Anblick der gesamten Situation, die den Affekt auslöst.« (Smith 1977, 6) Zwei Beispiele dafür: »Wenn ich mit ansehe, wie Alma Fröhlich einer gehbehinderten alten Dame über die Straße hilft, ›sympathisiere‹ ich mit ihrer Freundlichkeit und billige ihr Tun folglich als richtig.« Darüber hinaus »sympathisiere« ich mit der Dankbarkeit, die die alte Dame empfindet. »Wenn ich auf der anderen Seite Hans Grämlich sehe, der nach einer Katze tritt, die ihm vor die Füße läuft, empfinde ich Antipathie gegen Grämlichs mürrische Laune und Sympathie mit dem Groll der Katze.« (Raphael 1991, 41) Die gesamte Situation im Blick zu haben, heißt: »Die Empfindungen oder die Neigung des Herzens« müssen stets von »zwei verschiedenen Gesichtspunkten« her betrachtet werden, »erstens in Beziehung auf die Ursache, die sie hervorrief, oder den Beweggrund, der sie veranlaßte, und zweitens in Beziehung auf den Endzweck, auf den sie hinzielt, oder die Wirkung, die sie hervorzubringen strebt.« (Smith 1977, 17) – Doch eine Übereinstimmung der Gefühle, meint Smith weiter, wird man selten erlangen, denn der, der gerade von der Handlung anderer so oder so betroffen ist, wird das vermutlich affektiv stärker erleben als der unbeteiligte Beobachter. (Vgl. Smith 1977, 23f., 44, 202) Unsere Empfindung ist bei uns nahestehenden Personen stärker als bei fremden Menschen. Das sind alles subjektive Momente, die die Beurteilung der Stärke eines Affekts bestimmen.
    Damit man objektiv beurteilen kann, welcher Affekt die richtige Intensität hat, führt Smith den unparteiischen Beobachter ein. (Vgl. Raphael 1991, 45) Um ein solcher Beobachter sein zu können, muss man sich zum einen als selbst [68] Betroffener in die Lage eines Beobachters versetzen, zum anderen muss man die Grundtugenden der Sensibilität oder Feinfühligkeit und der Selbstbeherrschung ausgebildet haben (vgl. Smith 1977, 23, 29), und drittens dienen einem alle anderen als Spiegel. Die beiden ersten Momente sind selbsterklärend. Zum dritten Moment: Über äußere Schönheit und Hässlichkeit eines Menschen gibt ihm ein realer Spiegel Auskunft, nicht aber »über seinen Charakter, über die Schicklichkeit oder Verwerflichkeit seiner Empfindungen. […] Bringe jenen Menschen in Gesellschaft anderer und er ist sogleich mit dem Spiegel ausgerüstet, dessen er vorher entbehrte. Dieser Spiegel liegt in den Mienen und in dem Betragen derjenigen, mit denen er zusammenlebt, die es ihm stets zu erkennen geben, wenn sie seine Empfindungen teilen, und wenn sie sie mißbilligen; hier erst erblickt er zum erstenmal die Schicklichkeit und Unschicklichkeit seiner eigenen Affekte.« (Smith 1977, 167f.) Die so verstandene Sympathie, das Teilen der angemessenen Gefühle für die Situation, hat laut Adam Smith soziale Bindungswirkung. (Vgl. Raphael 1991, 43) Das hat zur Folge, dass man Empörung empfindet, wenn jemand unmoralisch handelt, und Scham und Schuld, wenn man selbst gegen moralische Normen verstößt. Letzteres, die Eigenbeobachtung bei moralischen oder unmoralischen Handlungen, ist laut Adam Smith auf folgende Weise möglich:
    »Wir stellen uns uns selbst als die Zuschauer unseres eigenen Verhaltens vor und trachten nun, uns auszudenken, welche Wirkung es in diesem Lichte auf uns machen würde. Dies ist der einzige Spiegel, der es uns ermöglicht, die Schicklichkeit unseres eigenen Verhaltens einigermaßen mit den Augen anderer Leute zu untersuchen. […] Wenn ich mich bemühe, mein eigenes Verhalten zu prüfen, wenn ich mich bemühe, über dasselbe ein Urteil zu fällen und es entweder zu billigen oder zu verurteilen, dann teile ich mich offenbar in all diesen Fällen gleichsam in zwei Personen. Es ist einleuchtend, daß ich, der Prüfer und Richter, eine Rolle spiele, die verschieden ist von jenem [69] anderen Ich, nämlich von der Person, deren Verhalten geprüft und beurteilt wird. Die erste Person ist der Zuschauer, dessen Empfindungen in bezug auf mein Verhalten ich nachzufühlen trachte, indem

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