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Ethik: Grundwissen Philosophie

Ethik: Grundwissen Philosophie

Titel: Ethik: Grundwissen Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Detlef Horster
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den vielen Menschen, die irgendwo auf der Welt in Hunger und Armut leben, die man gar nicht kennt und für die unser moralisches Empfinden schwächer ist als gegenüber uns nahestehenden Personen? Um diesem Problem von Nähe und Ferne in der Moralphilosophie begegnen zu können, hat Hume zweierlei Tugenden unterschieden: die natürlichen Tugenden und die künstlichen Tugenden, wie Gerechtigkeit, Recht und Eigentumsordnung. Diese Tugenden »schaffen wir aus Gründen des Selbstinteresses; sie garantieren geordnete und friedliche gesellschaftliche Verhältnisse« (Pauer-Studer 2007, 233). Die letztgenannten Tugenden sind der Ursprung für die Achtung, die wir den anderen, uns fremden Menschen auf der Welt, entgegenbringen. Diese Achtung entspringt nicht dem Mitgefühl, sondern dem diesen künstlichen Tugenden zugrunde liegenden Prinzip der wechselseitigen Akzeptanz. (Vgl. Hume 1978, 334)
    Festzuhalten ist, dass für die sensualistische Moralphilosophie das moralisch Richtige mittels des Gefühls erkannt wird. Wie wir nun das von uns erkannte moralisch Richtige am besten in moralisch richtiges Handeln umsetzen, das sagt uns der Verstand. Bei allen schottischen Moralphilosophen liegt eine sehr ähnliche Konzeption vor, die meines Erachtens bei Adam Smith und bei David Hume die genaueste und ausführlichste Ausarbeitung erfahren hat. Alle sind sich, wie es bei dieser Position nicht anders sein kann, in der Ablehnung von objektiven Werten und Normen einig. – Hier beschränke [72] ich mich auf die Darstellung und verzichte auf eine kritische Auseinandersetzung mit den schottischen Moralphilosophen; verwiesen sei auf das Kapitel »Die Objektivität von Werten und Normen«. Die dort besprochenen und kritisierten Nonkognitivisten Ayer und Stevenson sind ebenfalls Sensualisten oder Emotivisten. (Vgl. auch Ernst 2008, 82)

[73]
Gut und Böse
    Bisher war vom richtigen moralischen Handeln die Rede, das in den unterschiedlichen normativen Theorien verschieden begründet wird. Das Abweichen davon, das Böse, ist in der Philosophie nicht annähernd so ausführlich behandelt worden wie das richtige moralische Handeln, das Gute. Die Entgegensetzung von Gut und Böse eröffnet einen weiteren Zugang zum genaueren Verständnis dessen, was Moral ist.
    In den bislang abgehandelten normativen Theorien wurden unterschiedliche Gründe dafür genannt, warum man ein Versprechen halten soll. Dennoch ist jedem das Abweichen von dieser Sollensnorm schon in irgendeiner Form begegnet. Was die Gründe für die Nichtbefolgung moralischer Regeln sind, soll in diesem Kapitel behandelt werden. Und noch mehr: Es wird überdies vom radikal Bösen die Rede sein. Doch zunächst zur Philosophiegeschichte: Wie begann eigentlich die Diskussion über die Kontrarietät von Gut und Böse?
Ein Blick in die Philosophiegeschichte
    In der Frühzeit des Christentums irritierte es die Menschen, dass es das Böse überhaupt gab. Wie konnte das sein, da doch Gott die Welt geschaffen hatte? Gott wollte das Gute; wieso gibt es dann in der von ihm geschaffenen Welt das Böse? Sicher war, dass Gott nicht der Urheber des Bösen sein konnte, weil er als gut und allmächtig galt und darum die Macht hatte, das Gute und allein das Gute in die Welt zu bringen. Darum musste es eine andere treffende Erklärung für die Existenz des Bösen in der Welt geben. Eine bot Augustinus (354–430) an, indem er die Erbsündenlehre »erfand«, die Luther später aufgriff und radikalisierte. (Vgl. [74] Jonas 1965, 24f.) Dafür konnte Augustinus sich auf eine Stelle im Römerbrief (5, 12 und 14) berufen, die lautet: »Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod und auf diese Weise gelangte der Tod zu allen Menschen, weil alle sündigten. [… Es] herrschte der Tod von Adam bis Mose auch über die, welche nicht wie Adam durch Übertreten eines Gebots gesündigt hatten; Adam aber ist die Gestalt, die auf den Kommenden hinweist.«
    Die augustinische Theorieentwicklung wird in drei Phasen gegliedert. (Vgl. Jonas 1965, 23) In der letzten, seiner antipelaginischen Phase, ist es für ihn unstrittig, dass der Mensch böse auf die Welt kommt und erst durch Gottes Gnade überhaupt gut werden kann. Dafür als Beleg eine Stelle aus seinen
Bekenntnissen
: »Ist doch niemand vor dir von Sünde rein, auch kein Kindlein, das nicht älter ist als einen Tag. […] Mit eigenen Augen sah und beobachtete ich einmal eines Knäblein Eifersucht. Es konnte noch nicht sprechen

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