Ethik: Grundwissen Philosophie
gehört.
Genpatentierung
Oftmals werden moralische Probleme gar nicht als solche erkannt. Wer weiß denn schon, dass sich hinter der Genpatentierung ein moralisches Problem verbirgt? Man könnte sagen: »Lass die doch ihre Gene patentieren, wenn es ihnen Spaß macht. Was geht mich das an?«
Die Firmen Hoffmann-La Roche und Chiron haben das Patent auf die Gene verschiedener Krankheitserreger, die als Grundlage von Bluttests dienen. Blutkonserven müssen heute auf HIV und Hepatitis-C-Viren überprüft werden. Früher kostete ein solcher Test 70 Cent. Seit der Patentierung 22,50 EUR. (Vgl. Burow 2003) Dies bedeutet, dass getestete Blutkonserven in Zukunft nicht mehr für alle bezahlbar sind, sodass sich die Schere von Arm und Reich im Gesundheitswesen weiter öffnet. Man sieht, dass ohne entsprechende Informationen moralische Probleme oft nicht zu erkennen sind. – Darum muss es noch einmal herausgestellt werden: Sachinformationen gehören zum moralischen Wissen. Soweit es in den eigenen Möglichkeiten steht, sollte man sich das für die moralische Entscheidung erforderliche Sachwissen selbst aneignen. Nun wird allerdings das Wissen auf Gebieten, auf denen moralische Entscheidungen getroffen werden sollen, immer komplexer. Darum ist es manchmal sinnvoll, Expertenmeinungen heranzuziehen. Dies ist oft [87] »der klügste Ratgeber, wenn es darum geht, eigene Schäden zu vermeiden und aus den Möglichkeiten der Medizin maximalen Nutzen zu ziehen« (Boshammer 2008b, 50). Aber zum Personsein gehört es, »selbst entscheiden zu dürfen, wann wir anderen die Entscheidung über unser Wohl und Wehe überlassen« (Boshammer 2008b, 51).
In Würde sterben
In der Stellungnahme des Nationalen Ethikrates zur
Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende
von 2006 heißt es: »Auch in modernen Gesellschaften erkennen die Menschen an, dass es moralische Pflichten gegen sich selbst gibt, die der Selbstbestimmung Grenzen setzen. Zu diesen Pflichten gehört der Respekt vor dem eigenen Leben.« (Ethikrat 2006, 20f.) Diese Auffassung vertritt Kant in seinen Überlegungen zu den Pflichten gegen sich selbst. Die Pflicht, um die es hier geht, ist die Pflicht, bis zu seinem Lebensende die eigene Würde zu bewahren. Ist es bei uns möglich, in Würde zu sterben, sodass einerseits die Selbstbestimmung gewahrt und andererseits nicht missbraucht wird?
Der Nationale Ethikrat hat ein Kapitel seiner Stellungnahme zur
Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende
den Orten des Sterbens gewidmet. Von ihnen hängt ganz wesentlich ab, ob das Sterben selbstbestimmt und in Würde möglich ist. Was früher der Normalfall war, ist heute die Ausnahme: das Sterben zu Hause. Heute sterben nur noch 10 Prozent der Deutschen zu Hause. Auf dem Land ist der Prozentsatz doppelt so hoch wie in der Stadt. Die Voraussetzungen für ein Sterben in Würde seien die gewohnte Umgebung und der Kreis von vertrauten Menschen. (Vgl. Ethikrat 2006, 38) Dieser Aspekt ist angesichts der heutigen Lebenswirklichkeit zu diskutieren: 47 Prozent der Bundesbürger sterben in Krankenhäusern. (Vgl. Ethikrat 2006, 42) Dass das Sterben zu Hause kaum noch möglich ist, hängt vor allem [88] mit der demografischen Entwicklung und den sich verändernden Familienstrukturen zusammen. »Seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts wird in Deutschland an einem Zweistufenmodell, bestehend aus Palliativstationen und Hospizen, gearbeitet. Auf Palliativstationen werden Patienten betreut, die meist durch akute Schmerzen und andere Symptome belastet sind und die eine medizinische Vollversorgung brauchen. Gegenüber der Symptomlinderung bei komplexem Krankheitsbild in der Palliativmedizin liegt der Schwerpunkt der Hospizarbeit auf der menschlichen Begleitung.« (Ethikrat 2006, 47) Damit werden mehr und mehr die Voraussetzungen für ein würdiges Sterben außerhalb des eigenen Heims geschaffen. Um diese in Zukunft zu garantieren, stellt der Ethikrat Leitsätze zur Sterbebegleitung und Therapie am Lebensende auf, die von der Politik bei der Herstellung der Bedingungen für die Ermöglichung eines menschenwürdigen Sterbens berücksichtigt werden sollten. (Vgl. Ethikrat 2006, 97f.)
Es ist eine aus moralphilosophischer Sicht zu fordernde politische Aufgabe, die Bedingungen für das Sterben in Würde zu schaffen. Wenn in diesem Buch die Frage beantwortet werden soll, was Moral ist, kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass die Schaffung der Bedingungen der Möglichkeit, moralisch zu handeln, zur Moral
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