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Ethik: Grundwissen Philosophie

Ethik: Grundwissen Philosophie

Titel: Ethik: Grundwissen Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Detlef Horster
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nicht immer allein trifft. Vielmehr ist zumeist eine ganze Reihe von Menschen beteiligt: hier die Frau, die Kinder, die Ärzte und die Pflegerin. Am besten bildet man in solchen Fällen ein Konsilium und berät den zu entscheidenden Fall gemeinsam.
[91] Weltarmut
    Sachinformationen sind – wie gesagt – Bestandteil des moralischen Wissens. Darum zu den Fakten: »Nach Angaben der Weltbank leben rund 40% der Weltbevölkerung derzeit von weniger pro Jahr, als man 1993 in den USA für 785,76 Dollar (heute ca. 1130 Dollar) kaufen konnte. Das ist die so genannte 2-$-pro-Tag-Armutsschwelle. Weil die reichen Länder nur knapp 16% der Weltbevölkerung ausmachen, könnte man meinen, dass sich gravierende Armut mit heutigen Mitteln einfach nicht vermeiden lässt. […] Nach Marktwechselkursen berechnet, ist das Durchschnittseinkommen des obersten Zehntels der Weltbevölkerung 320-mal höher als das des untersten Zehntels. Der entsprechende Quotient der Vermögensungleichheit ist weltweit noch neunmal größer: Eine neue WIDER-Studie schätzt, dass im Jahr 2000 das oberste Zehntel der Menschheit 85,1% des globalen Reichtums und das unterste Zehntel nur 0,03% besaßen (ein Verhältnis von 2837:1). Das oberste eine Prozent besaß 39,9%, die untere Hälfte der Menschheit dagegen nur 1,1% allen Privatvermögens.« (Pogge 2007b, 974)
    An anderer Stelle schreibt Thomas Pogge:
    »Die Auswirkungen schwerer Armut sind erschütternd. Es wird berichtet, dass 830 Millionen Menschen unterernährt, 1100 Millionen ohne sicheres Trinkwasser und 2600 Millionen ohne Zugang zu grundlegenden sanitären Einrichtungen sind. Um die 2000 Millionen haben keinen Zugang zu den wichtigsten Medikamenten. Etwa 1000 Millionen besitzen kein genügendes Obdach und 2000 Millionen haben keine Stromversorgung. Etwa 799 Millionen Erwachsene sind Analphabeten und 250 Millionen Kinder zwischen 5 und 14 Jahren sind außerhalb ihres Zuhauses erwerbstätig – oft unter harten oder grausamen Bedingungen: als Soldaten, Prostituierte oder Hausangestellte, in der Landwirtschaft, dem Baugewerbe und der Textil- oder Teppichindustrie. Rund ein Drittel aller Todesfälle weltweit, jährlich 18 Millionen, gehen auf armutsbedingte Ursachen zurück und wären [92] durch verbesserte Ernährung, sauberes Trinkwasser, billige Rehydrations-Lösungen, Impfstoffe, Antibiotika und andere Medikamente leicht zu verhindern. Menschen nicht-weißer Hautfarbe, Frauen und Kinder sind unter den Armen dieser Erde massiv übervertreten und leiden somit am stärksten unter den erschütternden Auswirkungen extremer Armut. Kinder unter fünf Jahren machen nahezu 60 Prozent oder 10,6 Millionen der jährlichen armutsbedingten Todesfälle aus.« (Pogge 2007a, 98 f.)
    Um überhaupt eine Vorstellung von dem unvorstellbaren Ausmaß des Leidens zu bekommen, muss man sich klarmachen, dass täglich etwa 30 000 Kinder an den Folgen schwerer Armut sterben. (Vgl. Anwander/Bleisch 2007, 171)
    Die Frage, die wir uns zu stellen haben, ist, ob wir die moralische Pflicht haben, diesen Menschen zu helfen. Wie weit reicht die moralische Gemeinschaft? Wie im Abschnitt zur »Supererogation« ausgeführt, haben Angehörige der moralischen Gemeinschaft symmetrische moralische Rechte und Pflichten. Den Rechten, die man hat, stehen im gleichen Maße die Pflichten gegenüber. Doch wie weit reicht die moralische Gemeinschaft mit symmetrisch verteilten Rechten und Pflichten? Ist sie begrenzt auf den Familien- und Freundeskreis, auf unsere Kommune oder Region, auf unsere Nation, auf Europa oder umfasst sie die Welt? Und im Fall der Weltarmut gibt es noch einen besonderen Aspekt: Wo es um Hilfe für die Armen dieser Welt geht, macht es keinen Sinn, für den Fall einer eventuellen eigenen Notlage Hilfe von diesen Armen zu verlangen.
    Um eine Antwort auf die Frage nach der Reichweite der moralischen Gemeinschaft zu erhalten, fragt der australische Philosoph Peter Singer zunächst, was der Unterschied zwischen dem Kind eines Nachbarn und dem Kind ist, das 15 000 Kilometer entfernt lebt. Wenn man an einem Teich vorbeikommt und ein Kind darin zu ertrinken droht, wird man es fraglos retten. (Vgl. Singer 2007, 39) Wenn wir diesem Kind im Teich helfen, warum dann nicht dem, das 15 000 [93] Kilometer entfernt ist und von uns vor dem sicheren Hungertod gerettet werden könnte? Der Aufwand ist für uns gering, doch der Tod des Kindes etwas sehr Schlechtes.
    Singers zweite Frage lautet, ob man dann, wenn andere Menschen die Spendenaufrufe

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