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Etwas Endet, Etwas Beginnt

Etwas Endet, Etwas Beginnt

Titel: Etwas Endet, Etwas Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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deinen Blick nicht. Ich will nicht, dass dein Blick mich berührt.
    »Komm mit uns, Monika.«
    Geh bitte fort.
    »Nein   … Entschuldigung. Vielleicht ein andermal.«
    »Ist womöglich die Lektüre, der du dich widmest, interessanter als die Aussicht auf meine   … unsere Gesellschaft? Was liest du, Monika?«
    »Och   … Das sind Gedichte, Jacek. Alte deutsche Gedichte.«
    »Das sehe ich. Ich erkenne es an der gebrochenen Schrift, die ich selbst nicht lesen kann, obwohl mein Deutschlehrer es geschafft hat, mir die Grundlagen der Sprache Goethes einzutrichtern. Gedichte, sagst du?«
    »Ich glaube nicht   …«
    »…   dass es welche sind, die ein gewöhnlicher Historiker kennen kann? Ach, ihr Philologen. Wie oft ihr das Monopol auf die Kenntnis von Literatur und Sprache ursurpiert. Hast du eine kleine Ader für Glücksspiel, Monika?«
    Sie hob den Blick und wusste dabei genau, dass sie das Gesicht und die Brille hob. »Ich verstehe nicht   …«
    »Ich schlage dir ein kleines Spiel um einen großen Einsatz vor. Wie etwa bei Puschkin, Drei, Sieben, As. Wenn ich anhand von ein, zwei Zeilen erkenne, wessen Gedicht das ist, kommst du mit uns mit. Wenn ich mich irre, gehe ich betrübt meiner Wege und werde dich nicht mehr behelligen.«
    Sie zögerte einen Augenblick lang. Es ist unmöglich, dachte sie. Es ist so unbekannt   …
    »Gut«, sagte sie und senkte den Kopf, um sein Lächeln nicht sehen zu müssen.
     
    Under der linden
    an der heide
    dâ unser zweier bette was   …
     
    »Walther von der Vogelweide, ein mittelalterlicher deutscher Dichter und Troubadour, Ende zwölftes, Anfang dreizehntes Jahrhundert.« Er lächelte. »Das Gedicht heißt ›Under der linden‹. Du hast verloren, Monika. Eure Dame ist geschlagen, Genosse Hetman. Ich nehme alle Rubel vom Tisch. Und dich nehme ich auch mit, Monika.«
    Sie lächelte, diesmal ohne es zu verbergen. Nun ja, dachte sie, vielleicht   …
    »Unter uns gesagt«, erklärte er, »das passt zu dir.«
    »Was?«
    »Mittelalterliche Poesie, die Lieder der Troubadoure.« Er schaute ihr in die Augen. In die Brille, berichtigte sie sich in Gedanken. »Das passt zu dir. Eine poetische Natur, eine bezaubernd weltfremde, innerlich komplizierte, einzelgängerische Natur. Magie. Nun, aschblonder Elf, hol deine Sachen. Wir fahren.«
    »Ja«, sagte sie, noch immer mit einem blassen Lächeln. »Nun ja, versprochen ist versprochen   … Ich komme gleich zu euch. Gleich.«
    »Wir warten.«
    Sie stand nicht sofort auf. Sie saß mit gesenktem Kopf da, den Blick auf die gebrochene Schrift geheftet, die steil und wehend war wie Banner, aufgepflanzt auf Turmzinnen. Sie hörte den Ton einer Laute, fern und leise.
    Ein weißes Einhorn bäumte sich auf einem grünen Wandteppich auf, die Vorderbeine zu einer heraldischen Pose erhoben.
     
    Die Hügelkuppe war eben, platt, wie mit einem Messer abgeschnitten. Das kleine Haus mit den geweißten Wänden, das zwischen krummen Apfelbäumen stand, zog sie an. Rief sie zu sich.
    Sie stand unentschlossen da, schaute zu, wie die ganzeGesellschaft nach unten zum Fluss lief, den sandigen, sonnenwarmen Hang hinab. Sie hörte die Männer rufen und lachen, den Bierkasten fern und leise klirren. Hörte die Frauen kreischen, die sich auf die feuchte Wiese fallen ließen.
    »Eine merkwürdige Anhöhe, nicht wahr? Man sieht auf den ersten Blick, dass sie nicht natürlich ist.«
    »Wie bitte, Jacek? Wieso nicht natürlich?«
    »Schau dir die Form an, wie regelmäßig sie ist. Und die Lage. Monika, hier kann sich einst eine Burg befunden haben, die die Furt bewachte. Oder vielleicht der Tempel irgendeiner Göttin, die von den Pommern verehrt wurde. Vielleicht ein Opferplatz, eine heilige Anhöhe von heidnischen Pruzzen, Goten oder hierher verirrten Kelten? So viele Völker sind durch dieses Land gezogen, so viele noch unerforschte Dinge birgt dieser Boden   … Na, gehen wir. Darüber können wir uns noch auf unserem vorzüglichen Lagerplatz unterhalten.«
    »Gleich   … gleich komme ich zu euch. Nur noch einen Moment.«
    »Wozu?«
    »Ich will spazieren gehen.« Sie senkte den Kopf.
    »Darf ich   …?«
    »Nein«, sagte sie rasch. »Entschuldige. Allein.«
    Warum blickt er mich so an?
    »Gut, Monika. Aber denk daran, wir warten auf dich. Ich möchte, dass du bei uns bist. Bei mir.«
    Die Anhöhe. Unnatürlich?
    Sie machte einen Schritt vorwärts. Plötzlich spürte sie, dass sie weitergehen musste. Denn hinter sich hatte sie die schwarze Wand des

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