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Etwas Endet, Etwas Beginnt

Etwas Endet, Etwas Beginnt

Titel: Etwas Endet, Etwas Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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die anderen Nationalitäten, die es in Suwałki mittlerweile schon in großer Zahl gab, heftig protestierten. Und mit Erfolg. Also hieß der Park nunmehr Garten des Heiligen Geistes, doch nach einem dreitägigen Bankstreik wurde beschlossen, den Namen zu ändern. Vorgeschlagen wurde Grunwald-Park, doch dagegen protestierten die Deutschen. Vorgeschlagen wurde Adam-Mickiewicz-Park, wogegen die Litauer protestierten, und zwar wegen der Schreibung und wegen der Inschrift »polnischer Dichter« auf dem Denkmalsentwurf. Vorgeschlagen wurde »Park der Freundschaft«, aber dagegen protestierten alle. Schließlich wurde der Park auf den Namen von König Jan III.   Sobieski getauft, und dabei blieb es, wahrscheinlich, weil der Anteil der Türken in Suwałki vernachlässigbar ist und ihre Lobby keine Durchschlagkraft hat. 4 Der Besitzer des Restaurants »Istanbul Kebab«, Mustafa Baskar Yusuf Oglu, konnte da streiken, bis er schwarz wurde.
    Die Jugend von Suwałki kümmerte das alles nicht, sie sagte weiterhin »unser Pärkchen« oder »unser Bumswäldchen«. Wenn sich aber jemand über den ganzen Aufruhr wegen des Namens wundert, möge er sich bitte erinnern, wie viel Geschrei und Streit es gab, ehe aus der Dorfstraße in Warschau die Sesamstraße wurde. Erinnert ihr euch?
    Die Drzymała-Straße endete auf Höhe der Schwarzen Hańcza (dahinter hieß sie Bismarck-Straße), und ich musste zum Haus der Kultur abbiegen, das seit langem geschlossen war, die Parkallee langlaufen und den Adenauer-Platz überqueren, um an die Hinterseite des Schulgebäudes zu gelangen. Aber ich war in Gedanken versunken und merkte beim Laufen nicht, dass das Haus der Kultur überhaupt nicht mehr da war. Ich geriet in eine Wolke von Staub und Rauch.
    Und fiel in den Bombentrichter. Aus Unachtsamkeit.
    Ich schaue mich um und sehe den Truthahn.
    Er sitzt so da, zusammengekrümmt, an den Rand des Trichters gepresst, und hört zu, wie zwei Apache-Kampfflugzeuge rattern und brummen, die über dem Stadion des Ostmark Sportvereins kreisen, vormals Sportklub »Golgota«.
    Ich kroch fein leise zu ihm; das gleichmäßige Dröhnen der schweren MGs übertönte das Knirschen des Kieses. »Grüß dich, Truthahn«, brüllte ich und hieb ihm unerwartet auf den Rücken.
    »Jesus!«, heulte Truthahn auf und rutschte auf den Grund des Trichters.
    Er lag da und zitterte, ohne ein Wort zu sagen, doch er schaute mich vorwurfsvoll an. Inzwischen war ich zu dem Schluss kommen, dass ich mich sehr dumm verhaltenhatte, ihm auf den Rücken zu hauen und zu brüllen. Ihr wisst, wie das ist   – er hätte sich vor Überraschung glatt einscheißen können.
    Ich reckte den Kopf über den Rand des Trichters, vorsichtig, und schaute mich um. Nahebei sah man die durchs Gebüsch schimmernde Mauer eines Parkhäuschens, überzogen von Graffiti und Einschussspuren, noch von irgendeiner früheren Schlacht her. Ich sah niemanden, aber die beiden Apaches beschossen den östlichen Rand des Parks, woher immer deutlicher M G-Salven und das dumpfe Krachen von Handgranaten klangen.
    Truthahn schaute mich nicht mehr vorwurfsvoll an. Er belegte mich mit ein paar ziemlich hässlichen Namen, wobei er mir einen aktiven Ödipus-Komplex und passive Homosexualität zuschrieb, worauf er sich heranbemühte und ebenfalls über den Rand lugte.
    »Was machst du hier, Truthahn?«, fragte ich.
    »Ich bin reingefallen«, antwortete er. »Schon früh am Morgen.«
    »Wir werden zu spät zur Schule kommen.«
    »Keine Frage.«
    »Vielleicht sollten wir rausklettern?«
    »Klettere als Erster.«
    »Nein, geh du als Erster.«
    Und da ging es los.
    Der Rand des Parks erblühte in einer Feerie blendender orangefarbener Blitze. Wir tauchten beide auf den Boden des Trichters ab, in das Kabelgewirr, das aus einem zerschossenen Telefonverteiler hervorquoll wie Eingeweide aus einem aufgeschlitzten Bauch. Der ganze Park erbebte unter den Detonationen   – einer, noch einer, der dritten. Und dann kläfften die Schützenwaffen los, Geschosse und Splitter begannen zu heulen. Wir hörten die Angreifer schreien.
    »
Lietuuuuuva

    Und gleich darauf das Krachen explodierender Handgranaten, das Hämmern eines M-60 und das Bellen einer Kalaschnikow-MPi, sehr nahe.
    »
Lietuuuva

    »Das sind deine«, stöhnte ich, in den Kies am Trichterboden gepresst. »Die Division ›Plechavicius‹. Deine Stammesverwandten setzen zum Sturm auf unseren Park an. Findest du das in Ordnung?«
    Truthahn begann unschön zu fluchen und starrte

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