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Etwas Endet, Etwas Beginnt

Etwas Endet, Etwas Beginnt

Titel: Etwas Endet, Etwas Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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kalt. In allen ihren Erscheinungsformen. Der Busch, den in Glastonbury angeblich Joseph von Arimathia gepflanzt haben soll, unterscheidetsich für mich nicht von anderen Büschen   – höchstens dadurch, dass er krummer und kahler ist als andere. Die Abtei selbst, von der manche Leute Arthurs mit frommer Andacht sprechen, weckt in mir keine tieferen Empfindungen, obwohl ich zugebe, dass sie sich hübsch in Wald, Anhöhe und See einfügt. Und dass sie dort regelmäßig die Glocken läuten, erleichtert es, im Nebel den Weg zu finden, und neblig ist es dort immer zum Kotzen.
    Diese römische Religion, obwohl sie sich schon ganz schön breitgemacht hat, hat bei uns auf den Inseln keine großen Chancen. Bei uns in Irland, Cornwall oder Wales trifft man auf Schritt und Tritt auf Dinge, deren Existenz die Mönche hartnäckig leugnen. Jeder erste Beste hat bei uns Elfen, Pucks, Sylphen, Corrigans, Leprechauns,
Sidhe
gesehen, ja sogar
Bean Sidhe
. Und niemand, soweit mir bekannt ist, hat einen Engel gesehen. Nicht gerechnet Bors von Ganis, der angeblich sogar Gabriel gesehen hat, einmal vor einem Kampf oder während eines Kampfes, aber Bors ist ein Dummkopf und Lügner, wer glaubt dem schon.
    Die Mönche erzählen von den Wundern, die Christus getan haben soll. Seien wir ehrlich   – angesichts dessen, was Vivien vom See fertigbrachte, Morgan von den Weisen Frauen oder Morgause, die Frau König Lots von Orkney, hat Christus keinen Grund, sich zu rühmen. Ernsthafte, fachmännische Magie, sage ich, das ist schon was. Ein Zauberer oder Druide weckt Achtung und Respekt. Merlin, könnt ihr mir glauben, hätte sich niemals dazu herabgelassen, sich mit sinnlosem Umherlaufen auf dem Wasser hervorzutun. Wenn das überhaupt wahr ist mit diesem Gehen auf dem Wasser. Zu oft habe ich die Mönche beim Lügen ertappt, als dass ich alles glauben würde, was sie erzählen. Ihr glaubt vielleicht, ich kann dieMönche nicht leiden? Dem ist nicht ganz so. Leiden können hat damit nichts zu tun. Wir verstehen einander einfach nicht. Sie sagen: »Pfingsten«, ich denke: »Beltaine«. Sie sagen: »die Heilige Brigitta«, ich denke: »Birgit von Kill Dara«. Wir verstehen einander nicht. Brauchen wir auch nicht. Denn die Mönche sind gekommen und werden wieder gehen. Aber die Druiden bleiben. Es ist nicht so, dass ich glaubte, die Druiden seien viel besser als die Mönche. Aber die Druiden gehören zu uns. Sie waren immer da. Und die Mönche sind zugelaufen. So wie dieser Pfaffe, mein Tischgenosse heute. Weiß der Teufel, was ihn hierhergeweht hat, nach Armorika. Er benutzt sonderbare Wörter und hat einen sonderbaren Akzent, so einen aquitanischen oder gallischen. Zum Teufel mit ihm.
    »Trink, Pfaffe.«
    Aber bei uns in Irland, dafür lege ich meine Hand ins Feuer, wird das Christentum eine kurze Episode sein. Wir Iren sind wenig anfällig für diesen römischen, unnachgiebigen und verbissenen Fanatismus, wir sind dafür zu nüchtern, zu einfältig. Unsere Insel ist ein Vorposten des Westens, das Letzte Ufer. Hinter uns, nicht weit, liegen die Alten Länder   – Hy Brasil, Ys, Emain Ablach, Mainistir Leitreach, Beag-Arainn. Sie sind es, die wie vor Jahrhunderten so auch heute die Gedanken der Menschen beherrschen, nicht das Kreuz, nicht die lateinische Liturgie. Und im Übrigen sind wir Iren tolerant. Soll jeder glauben, was er will. In der Welt, höre ich, gehen die verschiedenen Abspaltungen der Christen einander schon an die Gurgel. Bei uns ist das nicht möglich. Alles kann ich mir vorstellen, aber nicht, dass beispielsweise so ein Ulster zum Schauplatz von Unruhen mit religiösem Hintergrund wird.
    »Trink, Pfaffe.«
    Trink, denn wer weiß, ob du nicht morgen einen arbeitsreichenTag hast. Vielleicht musst du morgen schon abarbeiten, was du gefressen und gesoffen hast. Denn der, der abtreten soll, muss mit Pomp abtreten, mit allem, was der Ritus hergibt. Es stirbt sich leichter, wenn nebenan jemand ein Ritual vollzieht, ob derjenige das
Requiem Aeternam
herunterleiert, Weihrauch schwenkt, heult oder mit dem Schwert an den Schild schlägt. Dann ist es leichter, abzutreten. Und welchen Unterschied bedeutet es, zum Teufel, wohin man abtritt, ins Paradies, in die Hölle oder nach Tír nan Óg. Man tritt allemal ins Dunkel. Ich weiß das. Man geht in einen dunklen Korridor, der kein Ende hat.
    »Dein Herr liegt im Sterben, Pfaffe.«
    »Sir Tristan? Ich bete für ihn.«
    »Du betest um ein Wunder?«
    »Alles liegt in Gottes Hand.«
    »Nicht

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