Etwas Endet, Etwas Beginnt
alles.«
»Du lästerst, mein Sohn.«
»Ich bin nicht dein Sohn. Ich bin der Sohn von Flann Cernach mac Catháir, den die Dänen in der Schlacht am Ufer des Shannon erschlagen haben. Das, Pfaffe, war ein Tod, wie er eines Mannes würdig ist. Flann hat im Sterben nicht gestöhnt: ›Iseult, Iseult.‹ Flann hat, als er starb, gelacht und den Jarl der Wikinger mit solchen Wörtern belegt, dass der nach der Schlacht geschlagene drei Gebete lang die Fresse vor Staunen nicht zubekam.«
»Sterben, mein Sohn, soll man mit dem Namen des Herrn auf den Lippen. Außerdem ist es leichter, im Kampfe zu sterben, durch das Schwert, als im Bett hinzusiechen, von
la maladie
verzehrt. Der Kampf mit
la maladie
ist ein einsamer Kampf. Es ist schwer, einsam zu kämpfen, und noch schwerer ist es, einsam zu sterben.«
»
La maladie?
Du faselst, Pfaffe. Er würde mit dieser Wunde ebenso leicht fertig werden wie mit der, die …Aber damals in Irland war er voller Leben, voller Hoffnung, jetzt aber rinnt die Hoffnung aus ihm heraus mitsamt dem kranken, stinkenden Blut. Zum Teufel, wenn er aufhören könnte, an sie zu denken, wenn er diese verfluchte Liebe vergessen würde …«
»Die Liebe, mein Sohn, kommt auch von Gott.«
»Von wegen. Alle reden hier von Liebe und wundern sich, wo sie herkommt. Tristan und Iseult … Soll ich dir sagen, Pfaffe, woher diese ihre Liebe kommt, oder wie man das nennen will? Soll ich dir sagen, was die beiden verbunden hat? Das war ich, Morholt. Ehe mir Tristan den Kopf aufgeschlagen hat, habe ich ihm einen Hieb in den Schenkel versetzt und ihn ein paar Wochen lang ans Bett gefesselt. Und er, kaum dass es ihm ein bisschen besser ging, hat die Goldhaarige in dieses Bett gezogen. Jeder gesunde Kerl hätte das getan, wenn er Zeit und Gelegenheit dazu gehabt hätte. Und dann begannen die Minnesänger vom Wald von Morois und vom blanken Schwert zu singen. Blödsinn, ich glaube das nicht. Du siehst selber, Mönch, wo die Liebe herkommt. Nicht von Gott, sondern von Morholt. Und darum ist sie wert, was sie eben wert ist, deine Liebe. Diese deine
la maladie
.«
»Du lästerst. Du sprichst von Dingen, die du nicht verstehst. Du solltest also lieber aufhören, davon zu sprechen.«
Ich gab ihm keins zwischen die Augen mit dem Zinnbecher, den ich in der Hand zu zerdrücken versuchte. Ihr wundert euch, warum? Ich will es euch sagen. Weil er recht hatte. Ich verstand nichts.
Wie sollte ich es verstehen? Ich war nicht im Unglück gezeugt, in der Tragödie geboren worden. Flann und meine Mutter hatten mich auf einem Heuhaufen gezeugt und dabei sicherlich eine Menge einfachen, gesunden Spaß gehabt. Als sie mir den Namen gaben, legten sie keinenverborgenen Sinn hinein. Sie nannten mich so, damit es leicht wäre, mich zu rufen. »Morholt, Abendessen!« »Morholt, du Stück Hundedreck!« »Hol Wasser, Morholt!«
La tristesse?
Scheiße und keine
la tristesse.
Kann man mit so einem Namen träumen? Auf der Harfe spielen? Der Geliebten alle Gedanken widmen, alle Dinge des Alltags, und nachts in der Kammer umhergehen, ohne Schlaf zu finden? Scheiße. Mit so einem Namen kann man Bier und Wein saufen und dann unter den Tisch kotzen. Mit der Faust Nasen einschlagen. Mit dem Schwert oder der Axt Köpfe spalten beziehungsweise selbst eins vor den Kopf kriegen. Liebe? Jemand, der Morholt heißt, hebt das Nachthemd hoch und bumst, und dann schläft er ein oder sagt, wenn ihm gerade danach ist: »Och, du bist vielleicht ’n tolles Weib, Máire O’Connell, ich könnte dich ganz und gar auffressen, vor allem deine Titten.« Ihr könnt drei Tage und drei Nächte suchen, ihr werdet dabei keine Spur von
la tristesse
finden. Nicht einmal eine Spur. Und was heißt es schon, dass ich Branwen gern anschaue? Es gibt eine Menge Dinge, die ich gern anschaue.
»Trink, Pfaffe. Und schenk ein, schade um die Zeit. Was murmelst du da?«
»Es liegt alles in Gottes Hand,
sicut in coelo et in terris, amen.
«
»Vielleicht alles
in coelo
, aber bestimmt nicht alles
in terris
.«
»Du lästerst, mein Sohn.
Cave!
«
»Womit willst du mir Angst machen? Mit einem Blitz aus heiterem Himmel?«
»Ich mache dir keine Angst. Ich habe Angst um dich. Indem du Gott von dir weist, weist du die Hoffnung von dir. Die Hoffnung, nicht zu verlieren, was du gewinnen wirst. Die Hoffnung, dass du, wenn du eine Wahl treffenmusst, die richtige triffst, dass du den richtigen Entschluss fasst. Und dass du dann nicht wehrlos sein wirst.«
»Das Leben, Pfaffe, ob
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