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Etwas Endet, Etwas Beginnt

Etwas Endet, Etwas Beginnt

Titel: Etwas Endet, Etwas Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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mit Gott oder ohne ihn, mit Hoffnung oder ohne, ist ein Weg ohne Anfang und Ende, ein Weg, der am glitschigen Rande eines riesigen Blechtrichters entlangführt. Die meisten Leute merken nicht, dass sie im Kreis gehen, dass sie unzählige Male an demselben Punkt auf dem glitschigen, schmalen Rand vorbeikommen. Und es gibt welche, die abrutschen. Fallen. Und dann ist Schluss mit ihnen, sie kehren nie wieder auf den Rand zurück, nehmen den Marsch nicht mehr auf. Sie rutschen abwärts, bis sie sich alle am Ausgang des Trichters treffen, an der engsten Stelle. Sie treffen sich, aber nur für einen kurzen Augenblick, denn weiter, unter dem Trichter, erwartet sie der Abgrund. Und dieses Schloss, auf dem von Wogen umbrandeten Felsen, ist genau so ein Ort. Der Ausgang des Trichters. Verstehst du das, Pfaffe?«
    »Nein. Ich glaube aber nicht, dass du deinerseits den Grund verstehen wirst, aus dem ich es nicht verstehe.«
    »Zum Teufel mit den Gründen und mit den Folgen auch,
sicut in coelo et in terris.
Trink, Mönch.«
    Wir tranken bis spät in die Nacht. Der Kaplan hielt das erstaunlich gut aus. Bei mir ging es schlechter. Ich besoff mich, sage ich euch, ganz fürchterlich. Ich betäubte in mir   … alles.
    So kam es mir jedenfalls vor.
    VII
    Heute hat das Meer die Farbe von Blei. Heute zürnt das Meer. Ich spüre seinen Zorn und habe Respekt davor. Ich verstehe Branwen, verstehe ihre Angst. Ich verstehe die Gründe nicht. Und nicht ihre Worte.
    Heute ist das Schloss leer und entsetzlich still. Tristan wird vom Fieber verzehrt. Iseult und Branwen sind bei ihm. Ich, Morholt von Ulster, stehe auf den Mauern und schaue aufs Meer.
    Nicht einmal die Spur eines Segels.
    VIII
    Ich schlief nicht, als sie eintrat. Und ich war nicht überrascht. Es war, als hätte ich es erwartet. Dieses seltsame Treffen am Strand, der Ritt durch die Dünen und die Salzwiesen, der dumme Zwischenfall mit Bec de Corbin und seinen Kumpanen, jener Abend beim Kerzenschein, die Wärme ihres Körpers, als ich sie auf den Mauern umarmte, vor allem aber die Aura von Liebe und Tod, die Carhaing erfüllte   – das alles brachte uns einander näher, verband uns. Ich hatte schon begonnen, mich bei dem Gedanken zu ertappen, dass mir der Abschied schwerfallen würde   …
    Von Branwen.
    Sie sagte kein Wort. Sie löste die Fibel, die den Umhang an der Schulter zusammenhielt, ließ das schwere Gewebe zu Boden sinken. Rasch zog sie das Hemd aus, ein einfaches Hemd, fast von Werg, wie es die irischen Mädchen alltags tragen. Sie drehte sich seitlich weg, vom Widerschein des Feuers gerötet, das über die Scheite im Kamin kroch, sie mit flammenden Glutaugen betrachtete.
    Ebenfalls ohne ein Wort rückte ich zur Seite, machte ihr neben mir Platz. Sie legte sich langsam hin, das Gesicht abgewandt. Ich deckte sie mit den Pelzen zu. Wir schwiegen weiter alle beide, lagen reglos da und schauten zu den Schatten hinauf, die über die Zimmerdecke huschten.
    »Ich konnte nicht einschlafen«, sagte sie. »Das Meer   …«
    »Ich weiß. Ich höre es auch.«
    »Ich habe Angst, Morholt.«
    »Ich bin bei dir.«
    »Sei es.«
    Ich umarmte sie so sanft, so feinfühlig, wie ich nur konnte. Sie schlang mir die Arme um den Hals, drückte das Gesicht an meine Wange, streifte mich mit heißem Atem. Ich berührte sie vorsichtig, kämpfte gegen das freudige Verlangen nach heftiger, lüsterner Zärtlichkeit an, so, als würde ich die Federn eines Falken berühren, die Nüstern eines scheuen Pferdes. Ich berührte ihr Haar, den Hals, die Schultern, ihre vollen, wunderbar geformten Brüste mit den kleinen Warzen. Ich berührte ihre Hüften, die ich noch vor kurzem, man denke, zu rundlich gefunden hatte, die aber wunderbar rundlich waren. Ich berührte ihre glatten Schenkel, ich berührte ihre Weiblichkeit, den namenlosen Ort, denn nicht einmal in Gedanken würde ich es wagen, ihn bei ihr so zu nennen, wie ich es gewohnt war, mit keinem von den irischen, walisischen oder sächsischen Wörtern. Denn das wäre, als würde man Stonehenge einen Haufen Steine nennen. Als würde man den Glastonbury Tor ein Hügelchen nennen.
    Sie zitterte, kam meinen Händen ungeduldig entgegen, lenkte sie mit Bewegungen des Körpers. Sie forderte, verlangte mit stummer Zunge, mit heftigem, ruckartigem Atem. Sie bat um vorübergehende Ergebung, weich und warm, um sich für einen Moment zu spannen, sich zu verhärten zu einem zitternden Diamanten.
    »Liebe mich, Morholt«, flüsterte sie. »Liebe mich.«
    Sie war

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