Etwas ist faul
eigentlich gedacht habe. George antwortete schlicht, er habe einfach Lust auf einen freien Tag gehabt. Einen Urlaubstag sozusagen. Und für was, erkundigte sich Mr Leadbetter, halte er Samstagnachmittag und Sonntag? Ganz zu schweigen von den Pfingsttagen unlängst und dem bevorstehenden Bankfeiertag im August?
Samstagnachmittage, Sonntage und Bankfeiertage, aus denen mache er sich nichts, erwiderte George. Er meine einen richtigen Tag, an welchem eventuell die Möglichkeit bestehe, einen Platz zu finden, wo nicht bereits halb London versammelt sei. Mr Leadbetter erklärte daraufhin, er persönlich habe für den Sohn seiner verstorbenen Schwester wahrhaftig sein Bestes getan – niemand könnte behaupten, er habe ihm keine Chance gegeben. Aber wie sich nun leider herausstelle, sei dies vergebliche Liebesmüh gewesen. In Zukunft stünden George daher außer Samstag und Sonntag weitere fünf richtige Wochentage zur Verfügung, die er ganz nach Belieben verbringen könne.
»Das Schicksal hat dir seine goldene Kugel zugeworfen, mein Junge«, schloss Mr Leadbetter in einer letzten dichterischen Anwandlung. »Und du hast sie nicht aufgefangen.«
Eigentlich, so scheine ihm, habe er doch genau das getan, wandte George ein, worauf Mr Leadbetters poetische Stimmung in Zorn umschlug und er ihm kurzerhand die Tür wies.
Dies war der Grund für Georges derzeitige Nachdenklichkeit. Würde sein Onkel einlenken oder nicht?
Wohnte in seiner Brust noch ein Rest von Zuneigung für George oder bloß kalte Verachtung? Genau in diesem Moment geschah es, dass eine Stimme – eine höchst unerwartete Stimme – laut »Hallo!« rief.
Ein knallroter Sportwagen mit unglaublich langer Kühlerhaube hatte neben ihm am Straßenrand angehalten. Am Steuer saß die »wunderschöne und bekannte junge Dame der Gesellschaft«, Mary Montresor. (Die Beschreibung entstammte den Illustrierten, die mindestens viermal im Monat ein Foto von ihr veröffentlichten.) Sie schenkte George ein berückendes Lächeln.
»Ich habe nie geahnt, dass ein Mann derartig einer einsamen Insel im Meer gleichen kann«, sagte sie. »Möchtest du vielleicht bei mir einsteigen?«
»Nichts, was ich lieber täte«, entgegnete George ohne zu zögern und kletterte auf den Nebensitz.
Sie fuhr langsam, da ihr bei dem Verkehr nichts anderes übrig blieb.
»Ich bin die Großstadt leid«, erklärte Mary Montresor. »Ich wollte bloß mal wieder sehen, wie es hier ist. Ich werde nach London zurückfahren.«
George unterließ es, ihre geografischen Vorstellungen zu berichtigen, und sagte bloß, er halte das für eine glänzende Idee. Sie setzten ihre Fahrt fort, manchmal langsam, dann wieder in halsbrecherischem Tempo, sobald Mary Montresor eine Lücke im Verkehr zu erspähen meinte. George kam diese Meinung zumeist etwas optimistisch vor, aber er dachte sich, man könne schließlich nur einmal sterben. Immerhin hielt er es für besser, keine Konversation vom Zaun zu brechen, um seine schöne Fahrerin nicht von ihrer Tätigkeit abzulenken.
Es war Mary Montresor selbst, die die Unterhaltung wieder aufnahm, wofür sie genau den Augenblick wählte, in welchem sie mit quietschenden Reifen um Hyde Park Corner herumschlitterten.
»Würdest du mich gern heiraten?«, erkundigte sie sich beiläufig.
George rang nach Luft, doch das mochte auch an dem riesigen Bus liegen, der sie mit dem sicheren Tod zu bedrohen schien. Er war stolz auf seine geistesgegenwärtige Reaktion.
»Wahnsinnig gern«, antwortete er leichthin.
»So«, bemerkte Mary Montresor unbestimmt. »Na, vielleicht tust du’s eines Tages.«
Sie hatten unversehrt die geradeaus führende Fahrbahn erreicht, als George neben der U-Bahn-Station am Hyde Park Corner einige Zeitungsanschläge mit dicken Schlagzeilen erblickte. Zwischen Politische Krise und Oberst vor Gericht verkündete die eine: Junge Dame der Gesellschaft heir a tet Herzog, und die andere: Herzog von Edgehill und Miss Montresor.
»Was ist mit dir und dem Herzog von Edgehill?«, fragte George streng.
»Mit mir und Bingo? Wir sind verlobt.«
»Aber dann – du sagtest doch eben…«
»Ach das«, meinte Mary Montresor wegwerfend. »Weißt du, ich habe mich noch nicht entschieden, wen ich tatsächlich heiraten werde.«
»Warum hast du dich dann mit ihm verlobt?«
»Bloß um zu sehen, ob ich’s schaffe. Alle Welt schien zu glauben, es wäre schrecklich schwierig, und dabei war’s überhaupt nicht schwer!«
»Pech für – äh – Bingo.« George überwand
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