Etwas ist faul
Mädchen?«
»Vielleicht bezeichnet sie sich als Spanierin. Geboren wurde sie jedenfalls in Hampstead.«
»Habe ich nicht gesagt, dass Hampstead eine anregende Gegend ist?«, murmelte Anthony.
»Ja, der Fall ist also sonnenklar«, sagte der Inspector und erhob sich, um zu gehen. »Sie hat hier angerufen und Sie mit ihrer Geschichte geleimt – in der Annahme, Sie würden dann auch bestimmt kommen. Dann geht sie zur alten Mutter Gibson, die nichts dagegen hat, ihr Zimmer gegen ein Trinkgeld vorübergehend an Leute zu vermieten, die es schrecklich finden, sich vor aller Augen zu treffen – Liebhaber, verstehen Sie, nichts Kriminelles. Sie fallen prompt darauf herein, die beiden fahren mit Ihnen hierher, und während der eine Ihnen einen Bären aufbindet, verschwindet der andere mit der Beute. Das waren todsicher die Pattersons – genauso arbeiten sie immer.«
»Und meine Sachen?«, fragte Anthony besorgt.
»Wir werden tun, was wir können, Sir. Aber die Pattersons sind ungewöhnlich gerissen.«
»Diesen Eindruck habe ich auch«, sagte Anthony verbittert. Der Inspector verabschiedete sich, und kaum war er gegangen, läutete es bereits wieder an der Tür. Anthony öffnete. Ein kleiner Junge mit einem Paket im Arm stand vor ihm.
»Für Sie, Sir.«
Mit einer gewissen Überraschung nahm Anthony es an sich. Eigentlich rechnete er nicht mit einem Paket irgendwelcher Art. Als er es in das Wohnzimmer gebracht hatte, schnitt er die Schnur auf.
Es war das Likörservice!
»Verdammt!«, sagte Anthony.
Dann erst fiel ihm auf, dass sich am Fuß eines der Gläser eine winzige kunstvolle Rose befand. Seine Gedanken eilten in jenes Zimmer im ersten Stock zurück, das in der Kirk Street lag.
»Ich mag dich gern – ja, ich mag dich. Du wirst immer daran denken, was auch passiert, nicht wahr?«
Das hatte sie gesagt. Was auch passiert… Hatte sie damit etwa gemeint…
Anthony nahm sich wieder nachdrücklich zusammen.
»Das genügt nicht«, ermahnte er sich.
Sein Blick fiel auf die Schreibmaschine, und mit entschlossenem Gesicht setzte er sich hin.
DAS GEHEIMNIS DER ZWEITEN GURKE
Sein Gesicht wirkte wieder verträumt. Der Schal der tausend Blüten. Was hatte man eigentlich auf dem Fußboden neben ihrem leblosen Körper gefunden? Jenes entsetzliche Ding, das das ganze Geheimnis erklärte?
Nichts, natürlich, da es sich nur um eine erfundene Geschichte gehandelt hatte, die seine Aufmerksamkeit fesseln sollte, und der Erzähler hatte nur jenen alten Trick aus Tausendundeiner Nacht angewandt: Die Geschichte zu unterbrechen, wenn sie am spannendsten war. Aber war es denn so unmöglich, dass tatsächlich irgendetwas Entsetzliches existierte, was das ganze Geheimnis erklärte? Dass es immer noch existierte? Vielleicht, wenn man sich gründlich damit beschäftigte?
Anthony zog den Bogen aus der Schreibmaschine und ersetzte ihn durch einen neuen. Dann tippte er die Überschrift:
DAS GEHEIMNIS DES SPANISCHEN SCHALS
Schweigend schaute er sie eine Weile an.
Dann begann er, rasend schnell auf die Maschine einzuhämmern…
Die goldene Kugel
G eorge Dundas stand mitten in der City von London und dachte nach.
Rings um ihn wogten die werktätigen und lohnabhängigen Massen gleich einer alles verschlingenden Flut. Aber George in seinem eleganten Anzug, mit makellos gebügelten Hosen, nahm keine Notiz davon. Er war vollauf mit der Überlegung beschäftigt, was er jetzt anfangen sollte.
Es war etwas vorgefallen! Zwischen George und seinem reichen Onkel (Ephraim Leadbetter von der Firma Leadbetter Gilling) hatte es etwas gegeben, was man gemeinhin einen Wortwechsel zu nennen pflegt. Um genau zu sein, waren die Worte allerdings fast ausschließlich von Mr Leadbetters Seite gekommen. In einem ununterbrochenen Strom bitterer Entrüstung waren sie von seinen Lippen geflossen, und dass es sich dabei hauptsächlich um Wiederholungen ein und desselben Themas handelte, schien ihn nicht im Geringsten gestört zu haben. Einen Tatbestand einmal präzise zu formulieren und es dann dabei bewenden zu lassen, solches gehörte nicht zu Mr Leadbetters Gepflogenheiten.
Dabei ging es um ein sehr einfaches Thema – die verwerfliche Torheit und Gottlosigkeit eines aufstrebenden jungen Mannes, der sich mitten in der Woche einen Tag frei genommen hatte, ohne auch nur um Erlaubnis zu fragen. Als Mr Leadbetter alles gesagt hatte, was ihm dazu in den Sinn kam, und etliches auch zweimal, machte er eine Atempause und fragte George, was er sich dabei
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