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Eugénie Grandet (German Edition)

Eugénie Grandet (German Edition)

Titel: Eugénie Grandet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Zeit gehabt, nach Paris an Monsieur des Grassins zu schreiben. Er hätte uns den deinigen ähnliche Goldstücke schicken können, und obgleich Grandet sie gut kennt, wäre es vielleicht...«
    »Aber wo hätten wir denn so viel Geld hernehmen sollen?«
    »Ich hätte mein Vermögen verpfändet. Übrigens hätte wohl auch Monsieur des Grassins uns...«
    »Es ist keine Zeit mehr«, erwiderte Eugenie mit tonloser Stimme. »Müssen wir nicht morgen früh zu ihm ins Zimmer gehen und ihm gratulieren?«
    »Aber, mein Kind, warum gehe ich denn nicht zu den Cruchots?«
    »Nein, nein! Das hieße mich ihnen ausliefern und uns von ihnen abhängig machen. Übrigens habe ich mein Teil erwählt. Ich habe recht getan und bereue nichts. Gott wird mich beschützen. Sein heiliger Wille geschehe! Ach, wenn Sie seinen Brief gelesen hätten – Sie würden nur an ihn denken, liebe Mutter.«
    Am andern Morgen, dem ersten Januar 1820, gab die entsetzliche Angst, deren Beute Mutter und Tochter geworden waren, ihnen die allernatürlichste Ausrede ein, um nicht feierlich in Grandets Zimmer erscheinen zu müssen. Der Winter 1819/1820 war außergewöhnlich streng; der Schnee drückte schwer auf die Dächer.
    Sowie Madame Grandet hörte, daß ihr Mann sich in seinem Zimmer rührte, sagte sie: »Grandet, laß doch von Nanon – bei mir ein wenig Feuer machen; der Frost ist so stark, daß ich unter der Decke sogar friere. Ich bin jetzt in einem Alter, wo ich mich schonen muß. Übrigens«, fuhr sie nach einer kurzen Pause fort, »wird Eugénie sich hier bei mir ankleiden. Das arme Kind kann sich eine Krankheit holen, wenn sie sich bei solchem Wetter in ihrem kalten Zimmer anzieht. Wir werden dir dann drunten im Saal beim Kaminfeuer unsere Neujahrswünsche darbringen.«
    »Ta ta ta ta, welche Sprache! Wie du das Jahr schon anfängst, Madame Grandet? Du hast noch nie so viel auf einmal gesprochen. Ich denke doch, du hast nicht etwa schon in Wein getunktes Brot gegessen, wie?«
    Sie erwiderte nichts.
    »Also schön«, fuhr der Biedermann fort, dem der Vorschlag seiner Frau gerade gelegen zu kommen schien, »ich will tun, was du wünschst. Du bist wirklich ein gutes Weib, und ich möchte nicht, daß dir in deinem Alter etwas zustieße, wenn schon die la Bertellière alle recht alt geworden sind. Wie, nicht wahr?« rief er nach einer Pause. »Na, schließlich haben wir sie ja beerbt, ich verzeihe ihnen.« Und er hustete.
    »Du bist heute morgen so fröhlich, lieber Mann«, sagte die arme Frau ernsthaft.
    »Immer lustig...
Lustig, lustig, Böttcher du, Flick die Fässer immerzu!«

 
    fügte er hinzu und trat fertig angekleidet bei seiner Frau ein. »Ja, in drei Teufels Namen, es ist rechtschaffen kalt. Wir wollen gut frühstücken, Frau. Des Grassins hat mir eine Gänseleberpastete geschickt. Ich gehe jetzt zur Post und hole sie. Er wird der Sendung wohl einen doppelten Napoleon für Eugénie beigefügt haben«, sagte der Böttcher ihr leise ins Ohr. »Ich habe kein Gold mehr, liebe Frau. Ich hatte zwar noch so ein paar alte Stücke – dir kann ich es ja sagen –, aber ich mußte sie für die Geschäfte locker machen.« Und zur Feier des ersten Tages im neuen Jahr küßte er seine Frau auf die Stirn.
    »Eugénie«, rief die gute Mutter, als sie wieder allein war, »ich weiß nicht, mit welchem Fuß dein Vater zuerst aufgestanden ist, aber er ist heute bei guter Laune. – Ach was, wir werden uns schon herausziehen!«
    »Was hat er denn, unser Herr?« sagte Nanon, als sie bei ihrer Herrin eintrat, um Feuer zu machen. »Erst hat er zu mir gesagt: ›Guten Morgen, alter Esel! Geh und mach bei meiner Frau ein Feuer an, es ist ihr kalt‹, und dann, ich traute ja meinen Augen gar nicht, dann hielt er mir ein Sechsfrancsstück hin, das noch fast ganz neu ist! Sehen Sie, Madame, sehen Sie's nur an. Oh, der gute Mann! Der ehrenwerte Mann! Es gibt solche, die werden immer härter, je älter sie werden; aber er – er wird milde, wie Ihr Johannisbeerlikör, und immer besser. Das ist wirklich ein prächtiger, ein sehr guter Mann...«
    Die geheime Ursache für Grandets gute Laune lag in einem vollkommenen Erfolg seiner Spekulationen. Monsieur des Grassins hatte ihm, nach Abzug der Summen, die der Böttcher ihm für die Diskontierung der hundertfünfzigtausend Francs holländischer Wechsel und für den ihm geliehenen Zuschuß zur Vervollständigung der Ankaufssumme für die hunderttausend Livres Rentenpapiere schuldete, durch Eilpost dreißigtausend Francs als

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