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Eugénie Grandet (German Edition)

Eugénie Grandet (German Edition)

Titel: Eugénie Grandet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Stimme. »Ich sterbe...«
    Sofort reichte Nanon ihrer Herrin den Arm, Eugénie machte es ebenso, und nur mit endloser Mühe gelang es ihnen, sie hinauf in ihr Zimmer zu bringen, da sie von Schritt zu Schritt ohnmächtig wurde.
    Grandet blieb allein. Nach ein paar Augenblicken aber stieg er sechs, sieben Stufen hinauf und schrie: »Eugénie, wenn deine Mutter im Bett liegt, kommst du herunter!«
    »Ja, Vater.«
    Nachdem sie ihre Mutter versorgt hatte, zögerte sie nicht, hinunterzugehen.
    »Mein Kind«, sagte Grandet, »du wirst mir nun mitteilen, wo dein Gold hingekommen ist.«
    »Mein Vater, wenn Sie mir Geschenke machen, über die ich nicht vollkommen verfügen kann, so nehmen Sie sie zurück«, sagte Eugénie kalt, holte den Napoleondor vom Kaminsims und hielt ihn ihm hin. Grandet ergriff hastig das Goldstück und steckte es in die Westentasche.
    »Das glaube ich wohl, daß ich dir nichts mehr geben werde! Nicht einmal so viel!« sagte er und schnippte mit den Fingern. »Du mißachtest also deinen Vater? Du hast also kein Vertrauen zu mir? Du weißt also gar nicht, was das ist: ein Vater? Wenn er dir nicht alles bedeutet, so liebst du ihn eben gar nicht. Wo ist dein Gold?«
    »Mein Vater, ich liebe und ehre Sie, trotz Ihres Zornes; aber ich möchte Sie ganz bescheiden darauf hinweisen, daß ich zweiundzwanzig Jahre alt bin. Sie haben mir oft genug gesagt, daß ich mündig sei. Ich habe mit meinem Geld gemacht, was ich wollte.«
    »Wo?«
    »Das ist ein unverletzliches Geheimnis«, sagte sie. »Haben Sie nicht auch Ihre Geheimnisse?«
    »Bin ich nicht das Haupt der Familie? Kann ich nicht meine Geschäfte haben ?«
    »Und das ist mein Geschäft.«
    »Das muß ein schlimmes Geschäft sein, wenn du deinem Vater nichts davon sagen kannst, Mademoiselle Grandet.«
    »Es ist ein ausgezeichnetes, und ich kann meinem Vater nichts davon sagen.«
    »Sage mir wenigstens, wann hast du das Gold weggegeben?«
    Eugénie schüttelte den Kopf.
    »Du hattest es noch an deinem Geburtstag, wie?«
    Eugénie, die durch ihre Liebe ebenso schlau geworden war, wie ihr Vater es durch seinen Geiz war, schüttelte nur wieder den Kopf.
    »Aber das ist unerhört! Hat man je solchen Starrsinn gesehen und solchen Raub?« sagte Grandet mit einer Stimme, die immer stärker anschwoll und durch das ganze Haus dröhnte. »Wie! Hier in meinem eigenen Hause, hier bei mir, hat irgendeiner dein Gold genommen? Das einzige Gold, das hier zu finden war! Und ich soll nicht erfahren, wer? Gold ist eine teure Sache. Die ehrbarsten Mädchen können einen Fehltritt begehen, ich weiß nicht was hingeben, das kommt bei den vornehmsten Leuten vor und sogar in Bürgerkreisen; aber Gold weggeben – denn du hast es doch irgendwem gegeben, he?«
    Eugénie blieb unbeweglich.
    »Hat man je solch ein Kind gesehen? Bin ich dein Vater oder nicht? Wenn du es irgendwie angelegt hast, so mußt du eine Quittung haben...«
    »Stand es mir nicht frei, damit zu machen, was mir gut schien? Ja oder nein? Gehörte es mir?«
    »Aber du bist ein Kind.«
    »Mündig!«
    Verwirrt durch die Logik seiner Tochter, erbleichte Grandet, stampfte mit den Füßen, fluchte. Als er endlich wieder Worte fand, schrie er: »Elende Schlange von Tochter! Du Unkraut, du! Du weißt wohl, daß ich dich liebe, und mißbrauchst das. Sie richtet ihren Vater zugrunde! Bei Gott! Du wirst wohl diesem Habenichts mit den Saffianstiefeln unser Geld hingeworfen haben. Beim Winzermesser meines Vaters! Ich kann dich nicht enterben. Donner und Doria! Aber ich verfluche dich – dich, deinen Cousin und deine Kinder! Hörst du? Niemals wird dir daraus etwas Gutes erwachsen, nie! Wenn es dieser Charles gewesen sein sollte —- aber nein, das ist unmöglich. Wie! Dieses elende Zierpüppchen sollte mich ausgeplündert haben?...«
    Er blickte die Tochter an, die stumm und kalt blieb.
    »Sie rührt sich nicht, sie zuckt nicht mit der Wimper, sie ist mehr Grandet, als ich je Grandet gewesen bin. Du hast hoffentlich dein Gold nicht für gar nichts hingegeben. Laß sehen, sag?«
    Eugénie warf ihrem Vater einen ironischen Blick zu, der ihn sehr verletzte.
    »Eugénie, du bist bei mir, bei deinem Vater. Solange du hier bist, mußt du dich meinen Anordnungen fügen, Die Religion gebietet dir, mir zu gehorchen.«
    Eugénie senkte den Kopf.
    »Du beleidigst mich in dem Teuersten, das ich besitze«, fuhr er fort; »ich will und muß dich unterworfen sehen, demütig. Geh auf dein Zimmer. Dort wirst du bleiben, bis ich dir gestatte, es

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