Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eugénie Grandet (German Edition)

Eugénie Grandet (German Edition)

Titel: Eugénie Grandet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
– und noch dazu umsonst; er regelt die Geschäfte des armen verstorbenen Grandet aufs beste. »Hm, hm!« machte er mit vollem Munde »das ist mal was Gutes! Iß nur tüchtig, Frau! Davon kann man sich zwei Tage nähren.«
    »Ich habe keinen Hunger; du weißt ja, daß ich einen schwachen Magen habe.«
    »Ach was! Du brauchst nicht zu fürchten, daß dein Magen platzt; du verträgst schon was; du bist eine la Bertellière, eine kräftige Frau. Du bist allerdings ein klein wenig gelb, aber ich liebe ja das Gelbe.«
    Einem zum Tode Verurteilten mag der Gedanke, öffentlich und schmachvoll hingerichtet zu werden, weniger entsetzlich sein, als für Madame Grandet und ihre Tochter der Gedanke an das Ereignis, das eintreten würde, sowie das Frühstück beendet war. Je heiterer der Weinbauer wurde, desto mehr krampfte sich ihnen das Herz zusammen. Dennoch hatte die Tochter einen Trost in dieser furchtbarem Lage: die Kraft ihrer Liebe gab ihr einen gewissen Halt. ›Für ihn, für ihn‹, sagte sie sich, ›könnte ich tausendmal den Tod erleiden.‹ Bei diesem Gedanken warf sie ihrer Mutter flammende, ermutigende Blicke zu.
    »Räume alles ab«, sagte Grandet zu Nanon, als gegen elf Uhr das Frühstück beendet war; »den Tisch aber laß hier stehen. Da können wir uns deinen kleinen Schatz so recht behaglich betrachten«, fuhr er, zu Eugénie gewendet, fort. »Klein? Meiner Treu, nein! Du besitzest an wirklichem Wert fünftausendneunhundertneunundfünfzig Francs, dazu vierzig von heute morgen, macht zusammen sechstausend Francs weniger einen. Gut, da will ich dir den einen Francs noch geben, damit du eine runde Summe hast; denn siehst du, Töchterchen... – Na, was horchst du denn, Nanon? Marsch, kehrt! Geh an deine Arbeit!« sagte der Biedermann. Nanon verschwand.
    »Höre, Eugenie, du mußt mir dein Gold geben. Du wirst das deinem Väterchen nicht verweigern, was, Töchterchen?«
    Die beiden Frauen blieben stumm.
    »Ich, ich habe nämlich kein Gold mehr. Ich habe wohl etwas gehabt, aber jetzt habe ich keins mehr. Ich werde dir sechstausend Francs in Livres geben, und du wirst sie anlegen, wie ich es dir sagen werde. An das ›Dutzend‹ brauchen wir nicht weiter zu denken. Wenn ich dich verheiraten werde, was bald geschehen soll, werde ich dir einen Zukünftigen aussuchen, der dir das herrlichste Dutzend bieten wird, von dem jemals in der Provinz die Rede war. Hör also zu, Töchterchen. Es bietet sich da eine prächtige Gelegenheit: du kannst deine sechstausend Francs bei der Regierung anlegen; da bekommst du alle Halbjahr fast zweihundert Francs Zinsen, ohne Steuern, ohne Hagel, ohne Frost, kurz, ohne irgendwelche Abgaben oder Schäden, die wohl sonst die Einnahmen verkürzen. Vielleicht möchtest du dich von den schönen Goldfüchsen nicht gern trennen, wie Töchterchen? Komm, gib sie mir trotzdem! Ich werde wieder Goldstücke für dich sammeln: Holländer, Portugiesen, Rupien, Genueser; und mit dem, was ich dir an deinen Geburtstagen gebe, wirst du in drei Jahren die Hälfte deines kleinen Goldschatzes wieder beisammen haben. Was sagst du,Töchterchen? So sieh mich doch an! Geh und hole es, mein Herzchen. Du solltest mir eigentlich um den Hals fallen dafür, daß ich dich so in das Geheimnis von Tod und Leben des Talers einweihe. Ja, wahrhaftig! Die Taler leben und regen sich wie die Menschen: das kommt und geht, das schwitzt und pflanzt sich fort.«
    Eugénie erhob sich; nachdem sie aber ein paar Schritte zur Tür gemacht hatte, wandte sie sich plötzlich um, blickte ihrem Vater fest ins Gesicht und sagte: »Ich habe mein Gold nicht mehr.«
    »Du hast dein Gold nicht mehr?« rief Grandet und zuckte zusammen wie ein Pferd, neben dem ein Kanonenschuß abgefeuert wird.
    »Nein, ich habe es nicht mehr.«
    »Du irrst dich, Eugénie.«
    »Nein.«
    »Beim Winzermesser meines Vaters! Ich sage dir...«
    Wenn der Böttcher so fluchte, zitterten die Balken.
    »Alle Heiligen, großer Gott, Madame fällt in Ohnmacht!« rief Nanon.
    »Grandet, dein Zorn wird mich töten!« sagte das arme Weib.
    »Ta ta ta ta! Ihr da, in eurer Familie stirbt man nicht so leicht!«
    »Eugénie, was hast du mit deinen Goldstücken gemacht?« schrie er ganz außer sich.
    »Monsieur«, sagte das Mädchen, das zu Füßen von Madame Grandet hingesunken war, »meine Mutter leidet namenlos ...sehen Sie nur...töten Sie sie nicht!«
    Grandet entsetzte sich über die Leichenblässe seiner Frau.
    »Nanon, hilf mir ins Bett«, sagte die Mutter mit schwacher

Weitere Kostenlose Bücher