Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht
Flackerlicht der Kerze. Irgendwo in der Dunkelheit bewegte sich etwas. Ich spähte angestrengt in den Garten zu der alten Eiche. Als sich meine Augen an die Düsterheit gewöhnt hatten, konnte ich eine weiße Bewegung auf einem Ast erkennen. Eine Schleiereule saß aufrecht im Geäst. Weise blickten ihre auffällig großen Augen herüber. Fasziniert betrachtete ich ihre wangenähnlichen Gesichtsflächen und den an eine stark gebogene Nase erinnernden Schnabel. Ich dachte an meine Harry Potter-Bücher im Regal. In ihnen brachten die Eulen den Hexen und Zauberern Nachrichten und Pakete. Ein Paket schien sie nicht dabei zu haben. Und dass sie auf den Namen Hedwig hören könnte, bezweifelte ich auch. Aber vielleicht hatte sie trotzdem eine Nachricht für mich. Vielleicht wusste sie, wie ich am besten aus dem Mae-Pascal-Schlamassel herauskommen konnte. Wir starrten einander immer noch an. Langsam erhob ich mich, um an die Balustrade heranzutreten. Aufgeschreckt schlug die Eule mit ihren Flügeln. Ihr Ruf gellte durch die Nacht, als sie mit kräftigen Flügelschlägen fluchtartig davon flog. Eine Weile blickte ich ihr noch hinterher, bevor ich mich wieder an den Tisch setzte. Ich schlug mein Tagebuch auf.
Mittwoch, 16. April 2008 (1 Uhr 27)
Liebes Tagebuch
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ich bin‘s schon wieder. Vielleicht werde ich doch zu einer regelmäßigen Schreiberin. Ich kann wieder nicht schlafen und sitze bei Kerzenschein auf meinem Balkon. Gerade habe ich sogar eine Eule gesehen. Ich hatte gehofft, dass sie mir eventuell einen Ratschlag geben könnte, was ich tun soll. Hört sich etwas irre an, oder?
Meine Tage werden irgendwie immer verrückter. Im Nachschreibetest sind genau die gleichen Aufgaben drangekommen, die ich mit Curly geübt habe, nachdem Adri gegangen war. Mensch, das war vielleicht ein Schock für mich! Ich habe geglaubt, dass Curly sie gestohlen hat. Wie sollte sonst so etwas möglich sein? Adri gegenüber hatte ich ein verdammt schlechtes Gewissen, weil ich dieAufgaben schon kannte und sie vorher auswendig gelernt hatte. Die Ärmste ist nicht so gut mit dem Test zurechtgekommen. Aber was hätte ich tun sollen? Den Zettel mit den Aufgaben und den Lösungen konnte ich ihr während des Tests nicht geben. Außerdem hätte sie sich dann auch gewundert, woher ich die Aufgaben habe. Als ich Curly gefragt habe, ob sie die Aufgaben illegal besorgt hat, hat sie aber nur gelacht und gesagt, dass das Ganze ein Riesenzufall sei und es wie sechs Richtige im Lotto ist. Irgendwie glaube ich ihr, aber trotzdem habe ich auch Zweifel. Ich kann es mir so schlecht vorstellen, dass es solche extremen Zufälle gibt. Aber Lotto-Millionäre gibt’s ja auch. Mhm … ich weiß noch nicht, was ich wirklich glauben soll
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Dann war ich noch in der Bibliothek habe ich dann zufällig – schon wieder ein Zufall, scheint ja gerade bei mir »in« zu sein -, zufällig jedenfalls, habe ein Buch über die Bombardierung Dresdens 1945 aus dem Geschichtsregal gezogen. Ich konnte es gar nicht mehr weglegen. Jetzt weiß ich jedenfalls, zu welchem Thema ich meine Facharbeit schreiben könnte. Würde ja zu meinen Träumen passen. Wer so etwas träumt, kann darüber bestimmt eine gute Facharbeit schreiben. Das ist meine aktuelle Theorie. Morgen werde das Buch genauer unter die Lupe nehmen
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Zum Schluss muss ich nochmal über mein Problem mit Pascal schreiben. Mir ist klar geworden, dass es aussichtslos ist. Meine Entscheidung steht fest, ich werde mit Pascal Schluss machen. Ich schieb‘s nur noch etwas vor mir her. Nik hat im Beisein von Adriana gesagt, dass er mich bei der Trennung unterstützt. Mensch, du hättest mal Adrianas Augen sehen sollen. Sie hat ihn angeguckt, als wäre er ein edler Ritter auf einem Schimmel. Meine Güte muss Liebe schön sein! *lach* Vielleicht wird aus den beiden ja nochmal ein Paar. Mich würde es auf alle Fälle freuen
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So, jetzt bin ich doch etwas müde. Und kalt ist mir auch. Ich sag jetzt einfach mal bis bald! Wann immer das sein wird
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Deine konfuse Mae
»Wie weit bist du eigentlich?«
Vio und ich saßen auf Klappstühlen in der Garage und stopftenselbstgemachten Kuchen in uns hinein. Draußen schüttete es wie aus Kübeln.
»Das Blank ist fertig geshaped. Eine PVC-Platte habe ich gestern auf der Unterseite angebracht. Heute möchte ich noch die Verstärkungen zuschneiden. Und wenn ich das …« Vios Handy klingelte. Everybody‘s gone surfin‘, Surfin U.S.A.
»Sorry«, sie griff nach dem Mobiltelefon. Ein Lächeln
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