Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht
einem leichten Lächeln. Als er die Arme ausstreckte, um meine Schultern zu berühren, wich ich zurück. Er hob abwehrend die Hände und runzelte die Stirn. »Mae«, säuselte er. »Es tut mir leid, dass ich so ein Vollidiot war. Ich werde nie wieder etwas Blödes über Fabio sagen und glaubemir, du bist die Einzige, die mich interessiert. Die anderen Mädchen sehe ich doch gar nicht. Ich komme mir so verloren vor. Ohne Orientierung, ohne Kompass. Ich bin völlig durcheinander und wohl ziemlich verwirrt. So verloren wie jetzt habe ich mich noch nie gefühlt. Du warst mein Stern am Himmel. Ich wusste immer, wie ich nach Hause finde, als du noch mein Zuhause warst. Verzeih mir, dass …«
»Stopp!« Meine Stimme zerschnitt die Stille. Mir war, als hätte ich ein Déjà-vu. Es klang für mich, wie eine auswendig gelernte Phrase. Woher zur Hölle kannte ich dies? Ich zermarterte mein Hirn. Als plötzlich der Groschen fiel, funkelte ich Pascal aus zu Schlitzen verengten Augen an.
»
Message in a bottle
? Du entschuldigst dich bei mir mit Drehbuchsätzen aus
Message in a bottle
?«
Pascal schaute mich an, wie ein Huhn, wenn es donnert. Wir hatten den Film erst vor zwei Wochen zusammen angesehen. Dies schien er bei seinem grandiosen Plan völlig vergessen zu haben.
»Aber … aber«, stotterte er unbeholfen. Mir war, als würde ich trotz der Dunkelheit sehen, dass er rot anlief. »Aber ich hab mich doch auch bei Fabio entschuldigt«, warf er unbeholfen ein.
»Ach ja?« Vor Wut stiegen mir Tränen in die Augen. »Mit welchem Filmzitat denn?«
Ich wandte mich abrupt um und lief ein paar Schritte. Zögernd drehte ich mich nochmal zu ihm. »Bitte suche in den nächsten Tagen keinen Kontakt zu mir. Ich muss nachdenken.«
Dann eilte ich auf den Eingang vom »Di Lorenzo
«
zu. Im gleichen Augenblick bog
Sid
, der rote Mustang meines Bruders, um die Ecke.
Adriana, Nik und ich, saßen an der Theke vom »Di Lorenzo
«
.
»Das haut ja den stärksten Eskimo vom Schlitten«, bemerkte Nik, nachdem ich meinen Bericht beendet hatte. »Auf solch eine Idee muss man erst einmal kommen«, fügte er hinzu, bevor er sich über seine Calzone hermachte.
»Dem scheint ja echt das Hirn in den Bizeps gerutscht zu sein.«Adriana stützte ihr Kinn auf die Hände und schaute mich mitleidig an.
Die Mae-Pascal-Krise erreichte eine neue Dimension. Mir wurde immer klarer, dass ich nur auf Zeit spielte. Die Enttäuschung war mittlerweile aus meinem Herzen gewichen. Stattdessen nisteten sich Entsetzen und Fassungslosigkeit in meine Herzkammern ein. Mit allen Regeln der Kunst hatte Pascal es geschafft, unsere Beziehung innerhalb von 48 Stunden zu ruinieren. Es fühlte sich an, als wäre er mit einer Planierraupe über meine Gefühle gefahren.
»Was immer du tust, ich steh hinter dir, Schwesterchen.« Nik strich mir über den Rücken. In diesem Augenblick spürte ich wieder unsere starke Zwillingsverbindung. Die Berührung und seine Worte empfand ich wie ein Pflaster auf meiner Wunde. »Wenn er Probleme macht, dann sag mir Bescheid. Ich kümmere mich dann schon um unseren verhinderten Johnny Depp.«
»Wohl mehr Depp, als Johnny«, kommentierte Adriana Niks Aussage und schaute ihn mit einem verklärten Blick an. In ihren Augen konnte ich sehen, dass mein Bruder mit dieser Bemerkung den Heldenstatus erreichte. Sie war hoffnungslos in Nik verliebt.
»Danke«, sagte ich. »Ich brauche nur etwas Zeit, um das alles zu begreifen.«
Unruhig wälzte ich mich von einer Seite auf die andere. Ich wartete auf den Schlaf, der nicht kam. Eine Weile überlegte ich, was ich tun sollte. Schließlich knipste ich die kleine Nachttischlampe an und schlug die Bettdecke zurück. Vielleicht würde frische Luft helfen. Ich zog mir dicke Wollsocken an und öffnete den Kleiderschrank. Unschlüssig blickte ich hinein. Ich entschied mich für einen schwarzen Steppmantel. In einem Kästchen auf meinem Schreibtisch lag ein Feuerzeug, das ich in die Manteltasche stecke. Mein Tagebuch zog ich aus den Postkarten hervor, unter denen ich es am Vortag versteckt hatte. Ich ging zur Balkontür. Auf meinen überdachten Minibalkon passten gerade mal ein Stuhl und ein kleiner Tisch. Als ich die Tür öffnete, schlugmir feuchte Nachtluft entgegen. Es war nahezu windstill und über den Wiesen hing der Nebel. Schaurig-schön. Die passende Kulisse für einen Gruselfilm. Ich setzte mich an den Tisch. Mit dem Feuerzeug zündete ich das Windlicht an. Eine Weile verharrte ich so im
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