Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht
Projektor warf den Bandnamen »The Dead Mannequins« in heller Leuchtschrift auf die dunklen Stores.
Adriana lehnte an der beschlagenen Glasfront, wedelte sich mit einem Pappteller, auf dem zuvor ein Käsebrötchen gelegen hatte, abgestandene Luft ins Gesicht. »Puh, ich hab das Gefühl, es ist hier nicht mehr besonders viel Sauerstoff übrig.« Sie drehte sich um und fummelte an einem Türgriff herum, bis diese aufschwang und den Weg in den betonierten Innenhof frei gab, in dem drei einsame Plastiksäulen standen, welche angeblich Kunst waren.
»Oh ja, danke. In einem Pumakäfig ist die Luft besser. Wenn die Leute schon bei der Vorband so abgehen, dann möchte ich nicht wissen, was gleich passiert.«
Ich schaute mich um, es drängten immer mehr Leute in die ohnehin schon überfüllte Aula. Neben den vielen bekannten Gesichtern mischten sich genauso viele unbekannte in die Zuschauermenge.
»Wann soll’s denn eigentlich losgehen?«, fragte Curly.
»Um 20 Uhr.« Die Zeiger meiner Armbanduhr standen auf 19:47 Uhr. »Noch 13 Minuten.«
Adriana wippte unruhig von einem Bein auf das andere. Als sie bemerkte von mir beobachtet zu werden, schob ich fragend die Augenbrauen nach oben.
»Hoffentlich geht alles gut. Hoffentlich verspielen sie sich nicht, oder vergessen den Text, hoffentlich gibt’s keinen Stromausfall.« Ihre Augen weiteten sich angstvoll, das Horror-Szenario schien vor ihrem inneren Auge als dramatischer Spielfilm abzulaufen.
»Quatsch, Adri«, ich verdrehte die Augen. Tröstlich stellte ich fest, dass Adriana paranoiden Überlegungen neigte, wenn es um meinen Bruder ging, so wie ich es bei Sam tat. »Warum sollte es ausgerechnet heute Abend einen Stromausfall geben?«
»Hey, es wird schon schiefgehen, wirst sehen. Die Jungs haben so viel geprobt, sie können jede Note und jede Textzeile im Schlaf herunter beten. Mach dir mal keine Sorgen.« Curly legte Adriana aufmunternd einen Arm um die Schulter.
»Ja, ich weiß«, gab sie zu. »Wahrscheinlich habe ich mehr Lampenfieber als unsere drei Rockstars in spe zusammen.« Sie kicherte und wirkte schon viel gelöster.
Ich schaute nochmal auf die Uhr. 19:52 Uhr. Meine Kehle war ganz ausgetrocknet. »Ähm … ich gehe mir eben noch eine Cola holen. Kann ich euch auch was mitbringen?«
Adriana wollte auch eine Cola, Curly verzichtete auf ein Getränk, aber das hatte ich mir insgeheim schon gedacht.
Ich bahnte mir meinen Weg durch die beachtliche Menschenmenge. Sogar am Rand der Aula standen die Besucher dicht gedrängt. Ich fragte mich, wie viele Leute es insgesamt sein mochten. 400 vielleicht? Oder mehr? Ich war noch nie gut im Schätzen gewesen und so gab ich es schnell wieder auf, zu einem realistischen Ergebnis zu kommen. Ich schlängelte mich weiter durch das Publikum, hier und da wurde ich angerempelt. Bald erspähte ich den Getränkestand rechts am Rand der Bühne und die dazugehörigeWarteschlange. Anscheinend waren viele Zuschauer auf die Idee gekommen, die Pause zu nutzten, um Getränkenachschub zu organisieren. Ich seufzte innerlich, reihte mich dann aber ein.
Unterdessen wurden die schweren Vorhänge auf der Bühne beiseite gezogen, das Neonlicht erlosch. Lauter Applaus brandete auf, die Menge rief fordernd den Namen der Band und puschte sich hoch. Es war stickig in der Aula. Ich wischte mir mit meinem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Die Scheinwerfer leuchteten auf, machten die dampfige Luft sichtbar. Fabio, Nik und Sam rannten unter tosendem Beifall und Pfeifen der Zuschauer auf die Bühne.
»Hi Leute! Wir sind «The Death Mannequins«. Are you ready to rock?«, ertönte Niks Stimme. Die Stimmung kochte, die Menge machte einen ohrenbetäubenden Lärm. »OK! Los geht’s!« Nik schlug seine Drumsticks gegeneinander und zählte laut an. Dann hallten die ersten Akkorde des Opening – Songs aus den schwarzen Boxen. »The Death Mannequins« waren von der ersten Sekunde an voll in ihrem Spiel.
Na toll, das war ja mal wieder klar. Wie hätte es auch anders sein können? Ich wartete am Getränkestand, um an die Reihe zu kommen und dabei begann das Konzert. Ich verzog den Mund, drehte mich zur Bühne, stellte mich auf die Zehenspitzen und versuchte möglichst viel von der Performance mitzubekommen. Nik drosch mit vollem Körpereinsatz auf seine Drums ein, Fabio blinzelte glückselig gegen das Scheinwerferlicht, während sich auf seinem blauen Metallica T-Shirt die ersten Schweißflecken abzeichneten. Und Sam … bei seinem Anblick klappte
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