Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht
mein Unterkiefer nach unten. Der Begriff Gitarrengott war nicht annähernd treffend. Gab es noch eine Steigerung für Gott? Übergott vielleicht? Er stand mittig auf der Bühne, das schwarze Hemd hing locker über seiner Used-Jeans, die von einem Nietengürtel auf Hüfthöhe gehalten wurde und nebenbei bemerkt unheimlich sexy aussah. Die obersten Knöpfe seines Hemdes waren geöffnet und gaben den Blick auf sein Amulett frei. Sam hielt seine Augen geschlossen, während seine Finger wie von selber über die Gitarrensaiten flogen. Vor der Bühne gab es kein Halten mehr. Die Zuschauer streckten ihr Arme in die Luft, hoben und senkten sich zum Rhythmus der Musik.
»Hallo«, schrie mir jemand über die Musik hinweg ins Ohr. Ich war absolut vertieft in den Auftritt, sodass ich zusammenschreckte und herumfuhr. Neben mir stand Pascal, auf Krücken gestützt und bemühte sich mich locker anzulächeln, was ihm allerdings nicht so ganz glückte.
»Hallo«, gab ich knapp zurück. Was wollte er? Pascals Penetranz entwickelte sich langsam zu der einer Schmeißfliege.
»Und? Gefällt’s dir?«, fragte er, nachdem ich in der Warteschlange weiter aufgerückt war und mich wieder zur Bühne drehte.
»Ja! Ganz toll!«, rief ich so enthusiastisch ich konnte. »Sie sind einfach unglaublich!«
Er nickte, presste dabei die Lippen aufeinander, offenkundig missfiel ihm meine Begeisterung. »Ich wollte nochmal mit dir reden«, brüllte er in mein Ohr. »Es ist ja jetzt einige Zeit vergangen, in der man nachdenken konnte. Na ja, und ich finde immer noch, dass unsere Beziehung eine zweite Chance verdient hat.«
Das hatte er jetzt nicht wirklich gesagt oder? War mein Ex denn wirklich so schwer von Begriff? Entgeistert schaute ich ihn an und merkte, wie die Wut in mir köchelte. »Sag mal, was hast du eigentlich nicht verstanden?«, fauchte ich ihn an. »Nochmal zum mitschreiben, extra für dich. Es. Ist. Vorbei. Für. Immer!«
»Wieso das denn?«, fragte er trotzig.
Einen Moment hielt ich inne, rückte weiter in der Schlange nach vorne. Es war nur noch ein Mädchen vor mir. Ich hatte keine Lust auf sinnlose Diskussionen mit meinem Ex, die zu nichts führten. Pascal schaute mich immer noch beharrlich an, fest entschlossen eine Antwort von mir zu erhalten. Das reichte, die Hitze in der Halle trieb erneut Schweißperlen auf meine Stirn. Kopfschüttelnd schaute ich ihm ins Gesicht, winkte resignierend ab und hastete wortlos zum Ausgang. Mein Getränk war mir plötzlich egal. Einige wilde Tänzer rammten mir ihre Ellenbogen in die Seite, während ich mich durch die Konzertbesucher hindurchzwängte. Ich brauchte unbedingt frische Luft.
Als ich aus dem Schulgebäude trat, umfing mich kühle Abendluft. Die dämmerige Ruhe wurde nur durch die dumpfen Bässe gestört, die aus dem Inneren des Gebäudes drangen. Ich blieb vor dem Portal stehen, umschlang meinen Oberkörper und fröstelte.Die kühle Brise blies alle wirren Gedanken aus meinem Kopf und stellte die alte Ordnung wieder her. Pascal wird es wohl nie lernen, egal wie sehr ich mich über ihn aufregte. Was soll’s? Er war eben ein hoffnungsloser Fall. Ein kleiner Spaziergang würde mir guttun, bevor ich wieder zurück ging, entschied ich. Es fing an zu regnen, als ich vom Pausenhof schlenderte und über den restlos zugeparkten Schulparkplatz marschierte. Dann überquerte ich die Straße auf der Höhe von der Bäckerei. Ich erschrak. Im Schatten eines Hauseingangs bewegten sich dunkle Umrisse. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich reflexartig zurückwich. Ein mir bekanntes Gesicht tauchte aus der Finsternis im Schein der Laterne auf. Konrad. Seine bleiche Miene war zu einer spöttisch grinsenden Fratze verzogen. Erleichtert, aber immer noch erschrocken entspannte ich mich.
»Mein Gott. Hast du mir einen Schrecken eingejagt«, sagte ich atemlos und mit einem Kopfnicken zur Schule: »Warum bist du nicht beim Konzert?«
Ehe ich reagieren konnte, schnellte Konrads Hand vor und drückte sich auf meinen Mund. Gleichzeitig umfasste er mich fest, drehte mir meinen Arm auf den Rücken und schleifte mich mit sich. Ich hatte nicht die geringste Chance zu schreien, mehr als ein leises Wimmern brachte ich nicht unter Konrads Händedruck aus meinem Mund.
»Halt’s Maul!«, blaffte er mich grob an.
Ich stolperte, versuchte mich zu drehen, mich irgendwie aus seiner erbarmungslosen Umklammerung zu befreien, ihn mit meinem Fuß gegen das Schienbein zu treten. Doch es gelang mir nicht, sein Griff
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