Eulenspiegel
getaner Arbeit.
Zufrieden schaltete Heinrichs den Anrufbeantworter ein. Bei dem Team um drei wollte die Chefin dabei sein, und bis dahin konnte er sich eine ausgiebige Mittagspause gönnen. Wann er seine Überstunden abfeierte, war schließlich seine Sache. Wenn er sich beeilte, konnte er die Kinder von der Schule und seine Frau von ihrer Arbeit im Kindergarten abholen und sie alle zum Mittagessen ausführen. Kleine Überraschung zum Wochenanfang.
Er war schon fast draußen, als ihm Toppes Auftrag einfiel: ein neuer Presseaufruf an alle Kunden, die am Freitag abend bei Aldi eingekauft hatten. Na, wenigstens konnte er jetzt das Autokennzeichen angeben.
Wenn der Artikel morgen erschien, brauchte er bessere Nerven als heute, soviel war klar. Es war schon so eine Sache mit der Erinnerung. Was die Leute nicht alles gesehen haben wollten!
Da bekam man Personenbeschreibungen, die reichten von schlanker Frau mit langen, blonden Haaren bis zu kleiner, dicker Mann mit Glatze. Für ein und dieselbe Person, wohlgemerkt; und immer waren die Leute vollkommen davon überzeugt, daß sie recht hatten.
Aber mit ein bißchen Geduld und Kombinationsgabe fand man meistens doch ein paar Körnchen Wahrheit.
Auf der Heimfahrt grübelte Heinrichs mal wieder darüber nach, was ein Pfannkuchenhaus wohl mit einem Postraub zu tun haben mochte.
Währenddessen vergeudete Astrid fast den ganzen Morgen im Aldimarkt.
Zuerst hatte sie sich mit dem unfreundlichen Geschäftsführer herumschlagen müssen, der nicht das geringste Einsehen gezeigt hatte, daß seine Kassiererinnen während der Arbeitszeit »Privatgespräche« führen sollten. Als sie letztendlich doch mit den Frauen geredet hatte, war sie auf völliges Unverständnis gestoßen. Sie sollten Kunden beobachtet haben? Womöglich noch beschreiben können! Sie hätten es nicht einmal bemerkt, wenn die Königin von England persönlich an ihrer Kasse gestanden hätte.
Astrid wußte, daß sie die Wahrheit sagten. Sie hatte die Frauen selbst oft genug bestaunt. Das waren perfekt funktionierende Maschinen, Kassenroboter: Sie zogen die Waren über das Band, tippten blind, ohne auf ihre Hände zu sehen, die Preise ein, nahmen Scheine entgegen, gaben Wechselgeld heraus, und das alles mit affenartiger Geschwindigkeit. Und wahrscheinlich waren sie erbärmlich unterbezahlt.
Auch die Leute vom Warenlager konnten ihr nicht weiterhelfen.
Für Toppe blieb zunächst die Routinearbeit übrig, das unbeliebte, nervtötende Stochern im Nebel. Er verbrachte die meiste Zeit im Raubdezernat und löcherte die Kollegen: Hatte es auf der anderen Seite der Grenze in den letzten fünf Jahren ähnliche Raubüberfälle gegeben? Paßte das Tatmuster zu einem »alten Bekannten«? Wer von den mehr oder minder »schweren Jungs« war kürzlich aus dem Knast entlassen worden?
Vor vierzehn Tagen hatte es eine Entweichung aus der Landesklinik in Bedburg gegeben, ein gewisser Sudeck war zur Fahndung ausgeschrieben; der Mann war vermutlich bewaffnet.
Toppe griff zum Telefon, rief in der Forensik an und ließ sich mit Reimann verbinden, einem Psychologen, den er ganz gut kannte.
»Sudeck? Aber der ist doch längst wieder hier! Schon über eine Woche.«
»Was ist das denn wieder für eine verdammte Schlamperei«, explodierte Toppe, aber Reimann lachte nur: »Ihr Zorn trifft den Falschen.«
Ohne lange zu überlegen, ging Toppe hinunter ins Revier und machte seinem Ärger gehörig Luft.
»Und ihr könnt froh sein, daß die Chefin davon nichts weiß«, drohte er zum Schluß. Dabei war er selbst wohl am meisten froh darüber, denn Meinhards Konsequenz konnte er sich gut vorstellen: »gemeinsame Erarbeitung eines effektiven Kommunikationsmodells mit inhärenter Fehlerkontrolle«, vorzugsweise als Wochenendseminar.
Gegen halb zwölf machte er sich auf den Weg nach Materborn, um die Bewohner des Katzenhofs nach ihren Beobachtungen am Freitag zu befragen.
In Stachs unmittelbarer Nachbarschaft hatte er keinen Erfolg, aber wenigstens waren die Leute nicht allzu ungehalten, daß er sie beim Essen störte. Die Seitenstraßen konnte er allein unmöglich bis drei Uhr schaffen, aber den Rest vom Katzenhof würde er sich noch vornehmen und die ersten Häuser der Eichenstraße.
Was war hier in den letzten Jahren gebaut worden! Immer mehr junge Familien aus dem Ruhrgebiet zogen die Kleinstadt als Wohnort dem Revier vor. Es war nicht zu übersehen: Kleve boomte.
Im Eckhaus war er noch nicht gewesen – Kröll stand auf dem
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