Eulenspiegel
als einzige von ihnen geregelte Arbeitszeiten hatte, war oft genug alles an ihr hängengeblieben, und das hatte die allgemeine Stimmung nicht gerade gehoben. Inzwischen standen nur noch Astrid und Toppe auf dem Plan, und Gabi sprang ein, wenn die beiden keine Zeit hatten. Seitdem verteilte sich alles gleichmäßig, und das Zusammenleben lief harmonischer ab. Bis auf die Abende, an denen Gabi meinte, ihre beiden Söhne sollten ab sofort grundsätzlich mehr Verantwortung übernehmen. Toppe ging diesen fruchtlosen Diskussionen inzwischen aus dem Weg, indem er einfach Befehle erteilte – Stall ausmisten, und zwar jetzt! – und die Ausführung persönlich überwachte. Das kostete ihn zwar dieselbe Zeit, war aber sehr viel befriedigender.
Der leichte Morgennebel hob sich nur langsam, so als würde es wieder ein warmer Frühlingstag werden.
Toppe ging dem Verkehrsgewühl aus dem Weg und fuhr durch die Waldstraße nach Hau.
Er liebte diese Straße, besonders im Sommer. Mit ihren hohen Hecken und Büschen, ihrem geheimnisvollen Dämmerlicht erinnerte sie ihn an die verwunschenen Hohlwege in Südengland. Wilde Osterglocken und Krokusse leuchteten im Gras, und an den Sträuchern zeigten sich schon die ersten grünen Knospen. Sie würden wohl einen frühen Sommer haben.
Birkenhauers Landhaus mit dem schweren, tiefgezogenen Reetdach lag in Bedburg-Hau, eingebettet zwischen Feldern und Wiesen, und Toppe fragte sich, wie der Mann wohl hier, mitten in der Landwirtschaft, an eine Baugenehmigung gekommen war.
Der weiße Lattenzaun, der das Grundstück von der Straße trennte, hätte sich auf einer Ranch sicher wohler gefühlt; die Auffahrt war an beiden Seiten von Findlingen gesäumt, so groß, daß sie einem Hünengrab alle Ehre gemacht hätten, und rund um das Haus zog sich eine Mauer aus geschichteten Natursteinen, die Toppe an den Hadrianswall erinnerte. Der grausamste Stilbruch erwartete ihn, als er in die Eingangshalle kam. Fußboden und Wände waren aus blendend weißem Marmor, und man hätte sich wie in einem indischen Grabmal gefühlt, wären da nicht die mit Blattgold belegten Möbelstücke gewesen, alle leider ohne Zweifel beste deutsche Barockimitate. Auch Birkenhauers Arbeitszimmer war abenteuerlich: auf dem Marmorboden lagen grobgewebte mexikanische Teppiche, und in der Mitte stand ein Schreibtisch aus rotem Chinalack.
Birkenhauer schob Toppe einen Sessel hin und ließ sich dann im englischen Lederfauteuil nieder.
»Ihr glaubt mir also endlich!«
»Selbstverständlich.« Toppe schlug seinen Notizblock auf. »Wir haben keinen Grund, Ihnen nicht zu glauben. Also, mittlerweile hatten Sie ja ein wenig Zeit, darüber nachzudenken, wer Sie überfallen haben könnte. Wer ist Ihnen in den Sinn gekommen?«
Birkenhauer schaute ihn abweisend an. »Keiner! Oder hundert, wenn Ihnen das lieber ist.« Er beugte sich über den Schreibtisch. »In meinem Gewerk sind nicht alle Schafe weiß, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Dann nennen Sie mir doch die Namen.«
»Den Teufel werde ich tun! Glauben Sie, ich will mich mit einem Messer im Rücken wiederfinden?«
Toppe wurde ungeduldig. »Sie dürfen uns schon zutrauen, daß wir Sie bei unseren Ermittlungen nicht in Gefahr bringen. Aber es ist interessant, was Sie da sagen. In Ihrem Gewerk geht es also derart kriminell zu, daß man sich gegenseitig Messer in den Rücken stößt.«
»Quatsch!« funkelte Birkenhauer ihn an. »So kann man das auch nicht sagen.«
»Nicht? Gut, kommen wir auf den Anruf zurück. Sie beschäftigen doch ausländische Arbeitskräfte.«
Birkenhauers Augen wurden klein. »Wenn das ein Trick sein soll, dann ist der verdammt dämlich. Ich mache keine illegalen Verträge, das habe ich Ihrem Herrn Kollegen schon gesagt.«
»Um den Punkt geht’s jetzt nicht«, blockte Toppe ab. »Sie haben mir erzählt, daß es sich bei dem Anrufer um einen Ausländer gehandelt haben könnte.«
»Könnte, genau, Sie sagen es.« Birkenhauer fing an zu überlegen. »Ich habe nur drei Ausländer, und von denen war es keiner. Drei LKW-Fahrer, zwei Russen und ein Pole. Die Russen sprechen so gut wie kein Wort Deutsch, und der Polack radebrecht sich so durch. Den östlichen Akzent kenne ich, so einer war das nicht. Vielleicht hat der Anrufer ja auch nur so getan. Der hat das ›R‹ gerollt und so abgehackt gesprochen, aber eigentlich nicht direkt falsch.«
Toppe blätterte in seinem Block. »Dann muß ich doch noch einmal auf den Postraub zurückkommen. Wir haben da eine
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